Geddy Lee - My favourite headache
Atlantic / EastwestVÖ: 13.11.2000
Progressives Aspirin
Vier Jahre ist es her, seit die kanadische Göttercombo Rush ihr letztes Meisterwerk veröffentlicht hat (sieht man mal von dem Live-Meilenstein "Different stages" von 1999 einmal ab). Seitdem ist viel passiert: Gitarrist Alex Lifeson probierte sich musikalisch sehr, aber kommerziell wenig erfolgreich an einem Soloalbum unter der Projektnamen "Victor" und Drummer Neil Peart wurde vom Schicksal gebeutelt, als er zuerst durch einen tragischen Unfall seine Tochter und dann seine Frau durch Krebs verlor. Die Pause, die sich die Band nach dem Album "Test for echo" bereits verordnet hatte, wurde somit unfreiwillig verlängert, zumal Texter Peart verständlicherweise lange keine Lust mehr auf Musik hatte. Geraume Zeit wußte niemand so recht, was aus Rush werden sollte.
Bass- und Pedalsynth-Wizard Geddy Lee wußte offensichtlich irgendwann einmal nicht mehr wohin mit der Kreativität. Was macht ein begnadeter Musiker in einem solchen Fall? Richtig: Er nimmt sich ein paar ausgesuchte Musikerkollegen und verzieht sich ins Studio. Dabei herausgekommen ist in diesem Fall ein Prog-Pop-Album der höherklassigen Art. Zusammen mit Gitarrist Adam Kasper (Foo Fighters) und Drummer Matt Cameron (Soundgarden, Pearl Jam) sowie mit der kompositorischen Unterstützung durch Ben Mink (k.d. lang, The Watchmen) hat Lee elf höchst interessante Songs auf den Silberling gebannt.
Schon der Opener "My favorite headache" läßt erkennen, in welche Richtung sich Lee entwickelt hat. Dieser Song speziell gehört zum Härtesten, was ich bislang aus der Feder des Kanadiers gehört habe. Alleine die Baßwand, die dem Hörer am Start entgegenschallt, zeugt von großartiger Virtuosität und Spielfreude. Der Song wirkt wie auch einige der folgenden Stücke erstaunlich modern für jemanden, der bereits mehr als 25 Jahre im Musikgeschäft tätig ist. Nicht umsonst wird Lee von vielen Bassisten, z.B. John Myung (Dream Theater) zu den Haupteinflüssen gezählt. Gepaart wird diese Mixtur mit den nach wie vor grandiosen Vocals von Geddy Lee, die den teilweise sehr persönlichen Texten eine geradezu unglaubliche Eindringlichkeit verleiht. Leider verzeichnet das Album auch einige weniger gute Songs wie die etwas zu seichte Ballade "The angel's share".
Dennoch muß gesagt werden, daß die einzelnen Songs im Unterschied zu manchen Rush-Outputs deutlich kompakter daherkommen und für das neue Rush-Album, was wohl im Laufe des nächsten Jahres erscheinen soll, viel erwarten lassen. Darüber hinaus hat Lee bereits angekündigt, diese Songs eventuell im Rahmen einer kleinen Clubtour präsentieren zu wollen, obwohl Rush natürlich auch für ihn im Vordergrund stehen. "I don't need to be so nihilistic", singt Geddy Lee im Titeltrack. Warum auch? Bei dieser nach wie vor vorhandenen songwriterischen wie auch musikalischen Klasse muß man sich um die Zukunft wahrlich keine Kopfschmerzen machen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- My favorite headache
- The present tense
- Moving to bohemia
- Home on the strange
- 7%
Tracklist
- My favorite headache
- The present tense
- Window to the world
- Working at perfect
- Runaway train
- The angel's share
- Moving to bohemia
- Home on the strange
- Slipping
- Still
- Grace to grace
- 7%