Kashmir - No balance palace

Columbia / Sony BMG
VÖ: 07.10.2005
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Im Gleichgewicht

Die Welt steht Kopf. Unten ist oben, innen außen und hinten vorne. Das arme Männchen auf dem Cover zur neuen Kashmir-Platte steht verloren auf der Decke, die der Boden ist - oder umgekehrt. Kashmir wollen es dem Hörer nicht leicht machen mit der Fortsetzung ihres Meisterwerks "Zitilites" - und sich selber schon gar nicht. War den vier Dänen mit ihrem vierten Album endlich der Durchbruch in Europa gelungen, scheinen sie diesmal gleich nach der Weltherrrschaft zu streben. Zumindest aber nach dem perfekten Album, weswegen man Produzenten-Legende Tony Visconti (David Bowie, Iggy Pop, T. Rex, Sparks, Phillip Boa & The Voodooclub etc.) ans Mischpult setzte.

"No balance palace" ist dabei die konsequente Zusammenführung aller bisheriger Schaffensphasen der Band. Neben kunstvollen "Zitilites"-Fortsetzungen platzieren sich immer wieder schwelgerische Popsongs wie zu "The good life"-Zeiten und selbst auf den Noiserock der ersten beiden Alben greifen Kashmir diesmal zurück. Und wenn diese unterschiedlichen Einflüsse sich wie selbstverständlich zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen (manchmal sogar innerhalb eines einzigen Songs), geht sofort der Vollmond auf. Wie bei ihren gefeierten Auftritten beim Haldern-Open-Air 2000 und 2003.

Musikalisch geht es hoch her und mitunter auch mal in die Vergangenheit: "The cynic" klingt wie ein David-Bowie-Song der Neunziger, und so ist es nicht mehr verwunderlich, wenn der Mann mit den zwei verschiedenen Augenfarben tatsächlich die zweite Strophe singt. Visconti-Kontakte halt. Die kamen auch zum Tragen, als eine weitere lebende Legende rekrutiert wurde: Lou Reed rezitiert im Instrumentaltrack "Black building" ein Gedicht von Sänger Kasper Eistrup. Und wenn zwei der größten und einflußsreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts nicht unschön aus dem Album herausragen, spricht das wohl deutlich für das Qualitätsniveau, auf dem sich Kashmir hier bewegen.

Immer wieder wechseln die Perspektiven, die Grenzen zwischen den Liedern verschwimmen, und alles dreht sich - um welche Achse auch immer. Der Hörer stürzt in kakophonische Abgründe und landet weich auf einer Melodie. Immer wieder liegen sich Pop und Anspruch in den Armen und verschwinden dann selig lächelnd im Nebel. Der Albumtitel ist pures Understatement, denn die Platte ist bis ins Detail ausbalanciert. Was die Rocker auf der einen Seite raushauen, gleichen die ruhigen Nummern wieder aus. Und im Mittelpunkt dieser Scheibe: Kasper Eistrups Gänsehaut-Stimme.

Daß "No balance palace" in letzter Konsequenz nicht ganz an "Zitilites" herankommt, liegt wohl am wenigsten am neuen Album selbst. Es liegt eher am übergroßen Vorgänger. Der Überraschungseffekt, mit dem uns Kashmir vor zwei Jahren am Hemdkragen packten und in ihren Strudel hineinzogen, ist eben weg. Für offene Münder wie beim mehrteiligen Titeltrack reicht es aber auch diesmal.

(Lukas Heinser)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Kalifornia
  • The cynic
  • The curse of being a girl
  • No balance palace

Tracklist

  1. Kalifornia
  2. Jewel drop
  3. The cynic
  4. Ophelia
  5. Diana Ross
  6. The curse of being a girl
  7. She's made of chalk
  8. Ether
  9. Snowman
  10. Black building
  11. No balance palace
Gesamtspielzeit: 45:59 min

Im Forum kommentieren

ZH

2014-01-21 21:29:26

Kann ich so bestätigen! Irgendwie vielschichtiger und atmosphärischer als Zitilites, wobei diese wiederum die grössere Anzahl Uebersongs aufweist. "The curse of being a Girl" würde ich jedoch als Ausfall bezeichnen.

The Hungry Ghost

2014-01-21 20:36:04

Echt großartige Platte, der Thread zu diesem Album verdient es, mal wieder aus der Versenkung geholt zu werden!

Insgesamt sehr homogen und ohne Ausfälle, funktioniert als in sich geschlossenes Album hervorragend, weshalb man eigentlich keine einzelnen Songs hervorheben muss.

Der Wechsel zwischen melancholischen und lärmenden Passagen fällt besonders positiv auf, so z.B. auf "She's Made Of Chalk", echt super auch das abrupte Songende.







nörtz

2009-03-22 23:57:54

Ether ist wirklich grandios!

ZH

2009-02-24 14:23:51

Grösser als "Ether" geht eigentlich nicht. Ich hoffe die neue geht auch in diese sphärische Richtung, wenn sie denn mal endlich kommt..

Klaasmir

2008-07-14 21:43:13

Wann kommt endlich wieder ein neues Kashmir-Album?

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum