Franz Ferdinand - You could have it so much better

Domino / Rough Trade
VÖ: 30.09.2005
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Überspitzen

Die schönsten Sätze sind immer gelogen. "I did not have sexual relations with that woman", zum Beispiel. Oder "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten." Während man von Politikern aber die Verarsche ja quasi erwartet, ist es doch ein wenig merkwürdig, daß sich jetzt auch noch die Herren Franz Ferdinand beim Sagen der Unwahrheit erwischen lassen. "It's always better on holiday", hatten sie mit ihrem Debütalbum schließlich vor kaum anderthalb Jahren versichert und anhaltende Urlaubsreife nach einer Bilderbuchausgabe eines Karrierestarts extra durch bandinterne Prügeleien demonstriert. Aber die Wahrheit ist trotzdem: Die hängen sich schon gerne rein in ihre Musik. Oder wie sonst hätte ihr zweites Album bitte schön so schnell gehen sollen?

Jedenfalls: "The fallen" heißt das erste Lied schon wieder ganz spitzbübisch, als wollte man nochmal daran erinnern, wie zehn Monate gereicht hatten, um von der größten zur nervtötendsten Band aus 2004 zu werden. Grund zur Sorge besteht deswegen aber nicht. Auch das zweite Franz-Ferdinand-Album hat wieder jede Menge davon, woran man sich schon beim Debüt festhalten konnte: Alex Kapranos' blöde Texte, die so gern mit arty und farty kokettieren, bis sie Dir plötzlich eine Reißzwecke ans Herz heften. Bob Hardys eigensinniges, wunderbar selbstverliebtes Baßspiel. Die unbeirrte Bassdrum, die Paul Thompson so gerne durch ganze Songs hindurchtritt. Und sogar die pointierten Gitarrenschweinereien aus Nick McCarthys gebärfreudigem Becken. Es ist nur trotzdem eine ganz andere Platte geworden.

War "Franz Ferdinand" ein gespannter Flitzebogen, bei dem man es mitunter schon ziemlich bedrohlich knacken hörte, ist "You could have it so much better" nun vor allem loser und lockerer, weniger bissig, mehr aus der Hüfte. Es hat natürlich zwei völlig überdrehte Kampfhennen, "This boy" und "Evil and a heathen", die das ganze Drumherum nur als Entschuldigung hinnehmen, um sich besonders schwungvoll in besonders bescheuerte Refrains stürzen zu können. Und es hat die besonders freche Single "Do you want to", die gleich ganz drauf scheißt und nur aus Refrains besteht. Aber "You could have it so much better" hat eben auch ein paar dicke Stöcke in den Speichen stecken.

Wer die Akustikgitarre aus "Walk away" schon für das Höchste der Gefühle hält, darf sich wenig später überraschen lassen von "Eleanor put your boots on", das noch ein bißchen tiefer in der Vergangenheit buddelt als das übliche Franz-Ferdinand-Zitat. Beatles und Kinks schreiben zusammen ein Lied? Nur, wenn Bowie die Vocals übernimmt. "Fade together" findet dann kurz vor Schluß wahrscheinlich schon keiner mehr überraschend, obwohl es doch die erste richtige Ballade der Bandgeschichte ist. Das Schlagzeug hält still, das Klavier läuft aus, und Kapranos - tja, der leidet. "I look like I've just jumped the Berlin Wall / Berlin I love you, I'm starting to fade." Da hätte Walter Ulbricht aber Augen gemacht.

Vergessen wir allerdings auch nicht das Tagesgeschäft. Die Königsdisziplin ist für Franz Ferdinand weiterhin Popmusik mit Navigationssystem. Und natürlich haben sie auch wieder diese verwickelten, listigen, gnadenlos tanzbaren Songs geschrieben, die immer im richtigen Moment bei einer grünen Ampel rauskommen. "What you meant" etwa bringt alles, was diese Band will, mit entwaffnender Logik auf den Punkt. Und wie verhext ist es auch mit "I'm your villain", das nun wirklich eine Menge mitkriegt in vier Minuten und sich den besten Rausschmeißer des ganzen Albums trotzdem bis zum Finale aufhebt. "Baby see you later", sie singen es zu viert im Chor. Und wir stornieren den nächsten Urlaub. It's always better on endorphins.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The fallen
  • Eleanor put your boots on
  • What you meant
  • I'm your villain

Tracklist

  1. The fallen
  2. Do you want to
  3. This boy
  4. Walk away
  5. Evil and a heathen
  6. You're the reason I'm leaving
  7. Eleanor put your boots on
  8. Well that was easy
  9. What you meant
  10. I'm your villain
  11. You could have it so much better
  12. Fade together
  13. Outsiders
Gesamtspielzeit: 41:11 min

Im Forum kommentieren

eric

2021-10-11 17:07:55

Finde "Do you want to" auch eher nervig.

nörtz

2021-10-11 16:59:08

Leider haben sie all ihr Pulver auf den ersten beiden Platten verschossen.

Jaggy Snake

2021-10-11 15:47:05

Nee, das ist toll. So wie die gesamte Platte!

fakeboy

2021-10-11 14:06:38

Unabhängig von dieser durchaus interessanten Songstruktur ist "Do You Want To" einfach ein fürchterliches Lied. So aufdringlich und plump. Nervt!

The MACHINA of God

2021-10-10 11:45:19

Guter Punkt.

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