Seidenmatt - If you use this software often - buy it

Sinnbus / Al!ve
VÖ: 29.08.2005
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Hallo, neue Liebe

Fast jeder hat sie. Bestimmt auch Du. Die feine vor allem aber kleine Band von nebenan oder weiter weg, die Du so richtig ins Herz geschlossen hast. Ganz tief und weit. In deinem Kopf ist sie Du, manchmal vielleicht auch Du sie. In jedem Fall ist sie aber eines: Deine Band. Und trotzdem willst du sie mit anderen teilen. Allen um dich herum zeigen, warum und wieso. Ganz besonderen Menschen, aber auch allen anderen. Sie hören und fühlen lassen, was fehlte. Und Du strahlst dann über jeden einzelnen, der versteht.

Deine Band war gestern. Heute ist Seidenmatt. Also räum Ohren und Kopf frei. Denn das Berliner Quartett keimt da, wo die alte Liebe schon welkt, und treibt aus, wohin dein Bewußtsein bisher nicht wollte. Eine Band, zu der das Etikett "nett, klein, muß jeder lieb haben" wie zu kaum einer zweiten paßt. Und ganz gleich, wieviel Beachtung ihnen jemals geschenkt werden wird: Es haftet. Seltsam, haben die Vier doch bereits Supporttouren für The Appleseed Cast und Mono und mit "Wasserluft" - wer hörte, der staunte - eines der Debüts 2003 auf dem Kerbholz.

Musik fängt da an, wo Sprache aufhört. Und genau dort passieren auch Seidenmatt. Beherzt greifen Gitarre, Baß, Schlagzeug und Notebook nach einem der ausgeleierten Enden des betagten Postrock und ziehen es an sich. Machen ihm Beine, schenken neue Vitalität und geleiten es an neue Ufer. Als wollten sie ihm sagen: "Hier kannst du glücklich werden." Aber auch wenn man noch so will: Glücklich wird man mit ihrem zweiten Album "If you use this software often - buy it" als "Wasserluft"-Begeisterter nicht so recht. Nicht, weil nun auch Sprache in Worten Einzug in die Musik hält. Einzig und allein der Mut, das Herz, scheinen Seidenmatt ein wenig verlassen zu haben. Oder die Routine eingeholt. So schleicht sich allzu offensichtlich Verzweiflung durch den Großteil dieser zehn Tracks. Und will Seidenmatt nie so ganz stehen.

Verstanden sie es doch auf "Wasserluft" hervorragend, die ab und an aufflackernde Hoffnungslosigkeit im nächsten Augenblick mit einer gehörigen Portion Optimismus hinfort zu jagen. Und wo das Debüt im Subjekt klar, kantig definiert, im Objekt dagegen herrlich uneindeutig schien, wirkt dieser Zweitling mit seinen manchmal allzu glatten dahingleitenden Postrockpassagen stellenweise wie dessen Gegenstück. Die Gitarre und der Baß, die auf dem Debüt so sympathisch im Rohzustand über den Rhythmus oder gern auch mal mit ihm stolpern; das Wechselspiel aus geraden und ungeraden Takten, das bei Seidenmatt so unvergleichlich unangestrengt und beflügelnd wirken kann: All das tritt auf "If you use this software often - buy it" allenfalls unterschwellig hervor.

Stattdessen wird alles weiter. Mehr Raum, mehr Effekte, mehr Instrumente, Samples und Töne. Sogar Gesang findet auf einem Track Platz. Aber leider wird auch alles einen Tick phrasenhafter. Einzig und allein "Forget about Telefunken" entpuppt sich als richtiger Lichtblick. Zumindest versieben Seidenmatt aber im erfreulichen und weniger erfreulichen Neuen nicht ihre Wurzeln. Das Dort. Verwehren sich konsequent dem Pathos und klingen immer noch nach Seidenmatt. Verschwinden nicht wie so viele andere im Postrockeinerlei. Und bleiben nach wie vor eine der erfrischendsten Ausnahmeerscheinungen im kargen deutschen Klangzenit.

(Stefan Färber)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Forget about Telefunken
  • Bergen
  • Kontinental

Tracklist

  1. From hero to zero
  2. Forget about Telefunken
  3. Bergen
  4. Serial killer
  5. Kontinental
  6. Weiß, blickdicht
  7. Tacho
  8. Applaus
  9. Extra pitch over the cliff
  10. Thuwe Pt. 2
Gesamtspielzeit: 50:24 min

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