CocoRosie - Noah's ark
Touch & Go / Triton / SoulfoodVÖ: 12.09.2005
Zebrastreifen
Erst im letzten Frühling passierte es. Man war kaum aus seinem mehr oder weniger tiefen musikalischen Winterloch hervorgekrochen, da entführte uns wie aus dem Nichts ein Schwesternpaar in das "Haus seiner Träume" und brachte uns mit seinem schrägen und unbeholfenen Charme um den Verstand. Mit ihrer beinahe aberwitzigen Flickarbeit aus Blues, Folklore, HipHop und LoFi, garniert mit akustischen Splittern von Kinderspielzeug und Haushaltsgeräten tanzten die Bianca und Sierra Casady notorischen Schubladenanhängern auf der Nase oder vielen anderen lang in den Hirnwindungen herum.
Mit ihrem zweiten Streich "Noah's ark" schicken sich Coco und Rosie nun an, uns mit auf eine weitere holprige wie faszinierende Reise durch ihre kleine, verschrobene Welt zu nehmen. Und siehe da: Darin finden sich nicht nur alte Bekannte wie der Pariser MC Spleen, der auch schon beim Debüt der Schwestern für die passende rhythmische Untermalung sorgte. Unter anderem gesellen sich Antony (ohne die Johnsons) und Devendra Banhart zum kleinen Reigen und hinterlassen Spuren. Wundern tut das aber kaum, denn auch die Vorzeichen für den Zweitling waren andere. So erblickten große Teile seiner Arrangements nicht etwa wieder im Pariser Apartment, sondern an den verschiedensten Orten das Licht der Welt. Neben diversen Hotelzimmern ist von einem Studio in Paris und sogar vom Bauernhof der Mutter in der französischen Camargue die Rede.
Überhaupt: Daß sich die Ergiebigkeit ihrer spontanen Eingebung in Sierras Wohnung letztlich doch in Grenzen halten würde, das scheinen die Casadys glücklicherweise begriffen und verinnerlicht zu haben. Und so tischen sie uns mit "Noah's ark" zwar einen logischen Nachfolger, sicherlich zur Erleichterung vieler aber kein bloßes Abziehbild von "La maison de mon rêve" auf.
Zahlreiche neue Farben und Akzente kommen zum Vorschein. Schemenhaft strecken sich ungekannt dunkle Schatten in das Klangbollwerk, die bei "The sea is calm" das Licht am gierigsten zu schlucken scheinen. Biancas Stimme wirkt geradezu bedrohlich wie sie zusammen mit einem unbehaglich keuchenden Klavier aus der finstersten Ecke knarrt, bevor sich dann die hauchende Stimme ihrer Schwester wie ein bedächtig herabschwebender Geist über alles legt: "On the anniversary of his death, she drew a beautiful picture of a whale." Im Kontrast zum Schattenspiel stehen Stücke wie der Titeltrack, der kaum mit mehr als einem ungewöhnlich treibenden Beat und ein paar schnöden elektronischen Baßtönen ausgestattet gerade durch Biancas unverkennbaren Gesang erstaunlich stark ist. Dazwischen noch viel mehr: Ob nun die romantische verquere Dramatik von "Beautiful boyz" oder französischer Sprechgesang bei "Bisounours". Aber keine Angst, mit Tracks wie "Tekno love song" oder dem Closer "Honey or tar" gibt es auch Stücke, die ungefiltert den klassischen LoFi-Charme versprühen.
Was trotz allem irgendwie doch bleibt, ist auch ein weinendes Auge. Aber höchstens ein halbes. Denn unsere zwei Lieblingsstubenhockerinnen schaffen es nicht ganz, uns so wie vor anderthalb Jahren wieder richtig auf dem falschen Fuß zu erwischen. Und mal ehrlich, wer schafft das schon ein zweites Mal? Viel wichtiger ist: CocoRosie haben das geschafft, was ihnen zwar viele gewünscht aber wenige zugetraut hatten. Mit "Noah's ark" erweitern sie ihre Musik um die nötigen klanglichen Nuancen, ohne daß auch nur irgendetwas von ihrem ursprünglichen Zauber verloren geht. Abrakadabra.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Beautiful boyz
- The sea is calm
- Noah's ark
Tracklist
- K-hole
- Beautiful boyz
- South 2nd
- Bear hides and Buffalo
- Tekno love song
- The sea is calm
- Noah's ark
- Milk
- Armageddon
- Brazilian sun
- Bisounours
- Honey or tar
Referenzen
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