Aoki Takamasa + Tujiko Noriko - 28
Fat Cat / PIAS / Rough TradeVÖ: 22.08.2005
Lost in translation
Kleinlaut war schon immer ihr Ding. Die große Geste kaum. Komisch, daß sich Tujiko Noriko trotzdem immer wieder von der Fachpresse "japanische Björk" auf die Stirn schreiben lassen muß. Angesichts dieses Etiketts stellt sich da doch die Frage, warum sie kaum einer hierzulande mehr als ins Kurzzeitgedächtnis verfrachtet hat - wenn überhaupt. Antwort: Vielleicht ist der journalistische Fingerzeig in Richtung Island doch nur ein vorschneller, verunsicherter Griff nach Halt gewesen. Und vor allem einer ins Leere. Denn, die guten Intentionen in Ehren, wenn eines Tujiko Noriko am wenigsten steht, dann das Prädikat "Imitat".
Zugegeben, die Frau macht es den meisten - sprich, denjenigen, die des Japanischen nicht mächtig sind - eher schwer. Und bei ihrem Zweitwerk "Make me hard" kam tatsächlich das Gefühl auf, welches vor nicht allzu langer Zeit ein Filmtitel so charmant formulierte: Lost in translation. Nur mit viel Geduld konnte man in den teils zerklüfteten Klangcollagen Fuß fassen und sich seine eigene Kopfkinosequenzen erträumen. Erst im dritten Anlauf brachte Tujiko ihre Musik auf den ersehnten Punkt. Nahm die Quintessenz und spann allerlei Verspieltes drumherum. Nicht umgekehrt. Das 2003er Album "From Tokyo to Niagara" war Musik, die auf der Oberfläche mit ambrosisch bittersüßen Elektromelodien lockt, unter ihr aber tonnenweise Fingerspitzengefühl und unglaublich viel Tiefe bereithielt. Das klassische trojanische Popmeisterwerk.
Auch auf "28" geizt Frau Noriko nicht mit ihrem Japanisch, das man wieder nur zu gern assoziations- und konnotationsfrei in sich aufsaugt. Aber halt, da ist noch wer! Landsmann und Soundtüftler Aoki Takamasa wirft sein geliebtes Powerbook an, startet MaxMSP und läßt die virtuellen Oszillatoren knacken, wabern und zirpen. Untermalt den verträumten bis schüchternen Singsang Tujikos mit seinen typischen, herrlich scharfkantigen Beatminiaturen. Ein seltsam schöner Kontrast, wenngleich das ungewöhnlich minimalistische Sounddesign beinahe schon zu einheitlich wirkt und über die insgesamt acht Tracks nur knapp die Grenze zur Monotonie verfehlt. Umso erstaunlicher aber, welch unterschiedliche und teilweise überraschende Songgebilde die beiden dann doch daraus quetschen.
Bei "26th floor" zum Beispiel legt Tujiko rhythmusbefreite Lagen Sprechgesang hin und Aoki ausnahmsweise mal einen mindestens-Ohrenwackelbeat nach, so daß man unweigerlich an M.I.A. denken muß. "Vinyl words" ist hingegen die tongewordene sprichwörtliche Wolke Sieben: seicht gestreute Punkte, schwebende Flächen, Tujikos lebendiges Schichten- und Effektspiel mit ihrer Stimme und eine Melodie, die sich erst unmerklich dann hartnäckig an die Synapsen klammert.
Wichtig dabei: Das, wo sie spätestens seit ihrem letzten Album am stärksten ist, hat die Frau nicht vergessen - nämlich den Popkontext. Und der bleibt auch über die Dreiviertelstunde Spielzeit immer in Hörweite. Aber, warum eigentlich immer Tujiko, Tujiko, Tujiko? Ganz einfach, "28" ist mehr sie als er. Mehr Tujiko Noriko als Aoki Takamasa. Macht aber nichts, denn seine Handschrift bleibt trotzdem. Und tut ihr Übriges. Verschafft "28" zwar nicht so mannigfaltiges Ausmaß wie das unerreichte "From Tokyo to Niagara", dafür aber eine merkwürdig reizende Direktheit. Tujiko Noriko zum Anfassen. Fast.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Vinyl words
- Fly variation
- 26th floor
Tracklist
- Fly2
- Vinyl words
- When the night comes
- Doki doki last night
- Fly variation
- 26th floor
- Alien
- Nolicom