Richard Thompson - Front parlour ballads

Cooking Vinyl / Indigo
VÖ: 08.08.2005
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Menschl.

Kindlers Sachwörterbuch der Literatur. Seite 73. Da steht es. Unter "B" wie Ballade, ganz hinten im Artikel: "Die moderne B. orientiert sich an den neuen Formen der Triviallit. Und ersetzt das einmalige heroisch-myth. Ereignis durch betont allgemeinmenschl. unheroische Alltagsstoffe, die menschl. Grundbefindlichkeiten aufzeigen." Mal ganz abgesehen von der Nebensache, daß hier scheinbar völlig nach Gusto über abgekürzte und ausgeschriebene Worte entschieden wird, kommt die lexikalische Erfassung dem, was Richard Thompson auf seinem neuen Album als "Front parlour ballads" bezeichnet, durchaus nahe. Denn auch hier erzählt der ehemalige Fairport-Convention-Frontmann von kleinen Helden des Alltags, von großen und mickrigen Taten und von zwischenmenschlicher Zuneigung.

Es ist deshalb weniger die Musik, übrigens erstmals wieder seit 25 Jahren nahezu ausnahmslos auf akustischer Gitarre gespielt, die auf dem neuen Werk des 55-Jährigen heraussticht. Es ist auch nicht die Stimme, die sich in den Vordergrund drängt, weil es an Alternativen fehlt, die sich in diesem positionieren könnten. Lediglich spärliche Percussion, eingespielt von Debra Dobkin, sorgen für Varianz. Es sind vielmehr die kleinen Erzählungen, das lyrische Gesamtkunstwerk, die seine "Front parlour ballads" zu einem hörenswerten Gesamtvergnügen machen. Balladen eben. Die Geschichte von "Life's little traumas and the courtroom dramas" ("Let it blow"), begleitet von sanften Gitarrensoli. Oder der bittende Brief an "Miss Patsy" mit seinem seemännischen Schunkelsound. "How does your garden grow" mit seinem spektakulären Picking-Passagen, oder das schwülstig bluesige "My soul, my soul", in dem es in allen Gassen dampft. Die Charaktere: Working class boys. Die Stories: Kämpferisch bis bitter traurig. "Is it wise to be kneeling with your arse poking free?" Richard Thompson, ein Bänkelsänger der Gescheiterten, der hier seine britischen Ursprünge nicht hinter dem Berg hält.

Der mittlerweile zur stumpfen Floskel für schmusende Songs verkommene Begriff der Ballade wird hier also in seinem Wortsinne revitalisiert. Allein dafür gebührt Richard Thompson ein dickes Lob. Welches jedoch ergänzt werden darf. Denn daß Thompson auch nach all den Jahren des Solowirkens und als Bandmitglied stets ein begnadeter Gitarrist war und ist, dem auch der eine oder andere Jüngling seiner Zunft durchaus ein Ohr leihen sollte, dies untermauern auch die sehr menschelnden "Front parlour ballads". Auch wenn die Songs selber nicht mehr die die Substanz von einst haben, um auf Ewigkeit vertraut zu werden. Wir bilanzieren: bemerkensw., auch wenn's nicht zu überrag. reicht.

(Sebastian Peters)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Let it blow

Tracklist

  1. Let it blow
  2. For whose sake?
  3. Miss Patsy
  4. Old thames side
  5. How does your garden grow?
  6. My soul, my soul
  7. Cressida
  8. Row, boys, row
  9. The Boys of mutton street
  10. Precious one
  11. A solitary life
  12. Should I betray?
  13. When we were boys at school
Gesamtspielzeit: 46:53 min

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