Godspeed You Black Emperor! - Lift your skinny fists like antennas to heaven

Kranky / Constellation
VÖ: 23.10.2000
Unsere Bewertung: 9/10
9/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Apokalypse in Cinemascope

Rauchschwaden steigen empor. Sanft schlängeln sie sich in die Höhe und verlieren sich im sanften Wiegen des Windes. Süßlicher Geruch liegt in der Luft, die sich an den Feuern am Boden wärmt. Stille umarmt die Landschaft. Gelegentlich traut sich ein schüchterner Klang, seinen Weg zu suchen. Er erstirbt in unwirklicher Schönheit. Langsam öffnen sich zwei Augen und konfrontieren die eigene Wahrnehmung wieder mit der Realität. Mit flachem Atem fließen vergessene Eindrücke auf einen Menschen ein, der ergriffen von den eben gehörten Geräuschmalereien zunächst keine Worte zu finden vermag.

Die Klänge von Godspeed You Black Emperor!, einem zehnköpfigen Ensemble aus Kanada, stehen gleichbedeutend mit Sehnsucht, morbider Romantik und Gänsehaut. Federweiche Feedbackgitarren wirken wie Pinsel, die Bilder voller düsterer Melancholie auf eine Leinwand malen, die man in ihrer ganzen Pracht bewundern kann, wenn man das Album mit geschlossenen Augen und auf voller Lautstärke genießt. Vertonte Emotionen und fühlbare Musik prasseln unaufhörlich aus den Boxen in die nur scheinbare Sicherheit des heimischen Wohnzimmers. Kopfkino im Breitwandformat.

Verhallte Sprachfetzen, sanftmütige Tropfen aus Glockenspiel und Klavier, leidenschaftliche Violinen und die traurigsten Gitarren der Jetztzeit erzählen ihre Geschichten in assoziativen Bildern. Melodien finden sich fast zufällig, werden wieder und wieder wiederholt und kleiden durch ihre bloße Anwesenheit Raum und Zeit aus. Schicht um Schicht entfalten sich Abgründe und Sehnsüchte, bis den letzten Schneemann warm ums eiskalte Herz geworden ist. Spannungsbögen winden sich umher, mäandern vor sich hin und schlagen plötzlich Haken, die selbst den gewitztesten Hasen vor Neid erblassen lassen würden.

Die Wirklichkeit bleibt bei den Ausflügen in den Arrangements genauso anonym wie die Band selber, die sich als fast vollkommenes Rätsel inszeniert. Die Inszenierung ihrer Musik fasziniert denn auch durch ihre scheinbare Undurchschaubarkeit. Diese Musik muß man sich erfühlen. Wäre "Lift your skinny fists like antennas to heaven" ein Film, hätten sich Bernardo Bertolucci, Sergio Leone, John Carpenter und Paolo Pasolini bei den Dreharbeiten einen Regiestuhl geteilt. Die unheimliche Begegnung der musikalischen Art läßt Hollywood zur Provinz werden. Langsam schließt der Hörer wieder die Augen. Erneut erheben sich die Rauchschwaden und werden eins mit den Wolken vor dem blutroten Sonnenuntergang. Orchestral manœuvers in the dark. Niemals wurde die Apokalypse romantischer vertont.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

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Tracklist

  • CD 1
    1. Storm
    2. Static
  • CD 2
    1. Sleep
    2. Antennas to heaven
Gesamtspielzeit: 87:27 min

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