
Yann Tiersen - Les retrouvailles
Labels / EMIVÖ: 20.06.2005
Traumtänzer
Die Kunst zu leben, der Blick fürs Detail. Französische Leichtigkeit ist ein ganz eigenes Schulfach, und Yann Tiersen mausert sich nach und nach zu dessen Oberlehrer. Wer sonst versteht es dermaßen, Lebensgefühl in Noten zu pressen und Träume zu arrangieren? Der Bretone hat die Formel gefunden, den Chanson ins neue Jahrtausend zu heben. Ohne ihn hätte Amélie niemals ihren elfenhaften Charme versprüht, ohne ihn wäre "Goodbye Lenin" nicht mit jenem nostalgischem Schwermut überzogen gewesen, der den Aufbruch mit einem zweideutigen Augenzwinkern begleitete.
Die Bildlichkeit ist das Geheimnis dieser Musik: "Les retrouvailles" ist ein Märchen in Stereo. Den Noten hinterherhaschend, im flinken Schritt durch französische Gäßchen sausend, im Café pausierend: Tiersen vertont Alltagserfahrungen, läßt sie aber im eigenen Licht erscheinen. So ist er das musikalische Äquivalent zu den jungen Filmemachern Jean-Pierre Jeunet und Françoise Ozon.
Aufgenommen wurde das Album in aller Abgeschiedenheit auf der westlichsten der französischen Atlantik-Inseln, der Île d'Oussant. Man merkt ihm das an: Das Werk zielt auf Vollständigkeit, Geschlossenheit, Konzentration. Das verschachtelte Spiel der Violinen, des Pianos, des Cellos, des Akkordeons ist Poesie für die Ohren; während die Gitarren und der Baß der Musik klare Konturen verleihen. Wenn Tiersen nicht direkt ein ganzes Orchester ins Studio gebeten hat, spielt er pro Stück zehn Instrumente selbst ein. Die Bezeichnung 'Multiinstrumentalist' gerät angesichts dieser Begabung fast schon zur Untertreibung. Tiersen verwirklicht sich in seiner Musikalität, er treibt sein Talent bis zum Äußersten. Auch wenn "Les retrovailles" nicht ganz an den rauhen Charme des ebenfalls in diesem Jahr veröffentlichten, großartigen "Yann Tiersen & Shannon Wright"-Albums heranreicht.
Doch baut Yann Tiersen nicht nur Kullissen, er schreibt auch Songs - wunderschöne zudem. Und dann lädt er Freunde zu sich ein, diese aufzunehmen. Auf "Les retrouvailles" sind dies zum Beispiel Stuart Staples von den Tindersticks oder Liz Fraser, die mit ihrer Stimme bereits "Mezzanine" von Massive Attack veredelt hat. Dies sichert die Abwechslung und verhindert, daß die Platte zu sehr ins Filmhafte abgleitet. Auch wenn Yann Tiersen einmal mehr zumindest jene Bilder zum Tanzen bringt, die sich vorm inneren Auge abspielen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- A secret place
- La boulange
- Mary
Tracklist
- Western
- Kala
- Loin de villes
- La veillée
- Plus d'hiver
- Á ceux qui sont malades par mer calme
- A secret place
- Le matin
- Les enfants
- Le jour de l'ouverture
- La boulange
- La plage
- Mary
- 7:PM
- Les retrouvailles
- La jetée
Referenzen
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