M83 - Before the dawn heals us

Gooom / Labels / EMI
VÖ: 23.05.2005
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Märchenmonds Kinder

"Wenn M83 eine Landschaft wären - sie wäre endlos, weit, offen, Gottes eigenes Land." So steht es geschrieben in der Bedienungsanleitung. Und da spielen wir Metapher-Fetischisten natürlich gerne mit: Wenn man M83 essen könnte - sie wären mit Nutella eingecremte Zuckerwatte. Wenn M83 Innenarchitekten wären - es würde hier alles voll tiefer, gemütlicher Sofas mit rosa Plüschbezügen stehen. Und wenn M83 eine Figur aus der Geschichte wären - dann Ludwig XIV., nur ein bißchen weniger brutal vielleicht. Solange M83 aber eine (Ein-Mann-)Band bleiben, sind sie höchstens die Könige des Kitsches. Und mindestens genauso gottverdammt französisch wie ein Baguette mit Batschkapp.

Seit Anthony Gonzalez und Nicolas Fromageau vor zwei Jahren ein paar Gläser Zuckerwasser über ihren Synthesizern ausgekippt und damit das extrapathetische "Dead cities, red seas and lost ghosts" aufgenommen haben, ist M83 eine ganze Menge dazwischen gekommen. In den USA, ausgerechnet, brachten sie es dank rasender Kritiken zur mittelgroßen Attraktion. Fromageau aber stieg trotzdem aus, wollte sich eigenen Projekten widmen. Und Gonzalez, plötzlich ungebremst, nahm sich vor, die Sache mit der neuen Platte auf die Spitze zu treiben. Heißt: noch mehr samtene Maschinensounds, noch mehr Feierlichkeit, noch mehr Emphase. Aber auch: mehr Liveinstrumente, mehr Gesang, mehr Pop. Oder einfach: mehr.

"Before the dawn heals us" ist also beizeiten tatsächlich noch vernebelter, ätherischer und getragener als sein Vorgänger. Synthies werden aufgetürmt zu riesigen Edelkitschflutwellen, Frauensamples fummeln an der Tränendrüse rum, irgendwas glitzert. Immer. Daß man diesmal trotzdem schneller damit klarkommt, dürfte den paar Hits zuzuschreiben sein, die Gonzalez obendrauf getan hat. "Don't save us from the flames" oder "A guitar and a heart" heißen sie, programmatisch betitelt natürlich, aber eben auch leicht, neckisch und hintenrum sogar mitreißend. Das Album braucht solche Dinger zum Festhalten, wenn man dem ewigen Gepiepe, Gehauche und Gesäusel von Stücken wie "Farewell goodbye" und "Can't stop" begegnen will. Gonzalez weiß das zum Glück.

Überhaupt verdient sich der Mann hiermit ein paar Stempel auf sein Fleißkärtchen. So ziemlich alles hat er selbst gemacht, Programmierung, Drums, Samples, Gesang, Gitarren. Und gerade letztere läßt er im überraschend lauten Mittelteil des Albums mit einer Widerborstigkeit ausflippen, die man ihm so nicht zugetraut hätte. "Asterick" heißt das Stück, das sich zunächst noch vorsichtig an den Krach herantastet, immer wieder abbricht, und dann schließlich doch ziemlich eingeschnappt mit den Stiefeln auftritt. Es folgt allerdings: "I guess I'm floating." Wieder hebt Gonzalez ab, von einem Bündel Luftballons in die Höhe gezogen. Wir blicken ihm nach. Und hoffen, daß er irgendwann zurückfinden wird.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Don't save us from the flames
  • Asterick
  • A guitar and a heart

Tracklist

  1. Moonchild
  2. Don't save us from the flames
  3. In the cold I'm standing
  4. Farewell goodbye
  5. Fields, shorelines and hunters
  6. Asterick
  7. I guess I'm floating
  8. Teen angst
  9. Can't stop
  10. Safe
  11. Let men burn stars
  12. Car chase terror
  13. Slight night shiver
  14. A guitar and a heart
  15. Lower your eyelids to die with the sun
Gesamtspielzeit: 61:17 min

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