British Sea Power - Open season

Rough Trade / Sanctuary / Rough Trade
VÖ: 25.04.2005
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Probier's mal mit Gemütlichkeit

Warum zum Geier wollen in Großbritannien eigentlich gerade wieder alle Popmusik machen? Sind das bereits die Vorwehen der neuen Coldplay-Platte, die ja schon jetzt irgendwie nach Weltherrschaft to come aussieht? Hat das etwa letztes Jahr mit Keane und ihrer perwollgewaschenen Piano-Musik angefangen? Und mußte es wirklich soweit kommen, daß nun schon gestandene Halbverrückte wie die Sportskanonen von Athlete ihre Lieder in geregelte Bahnen lenken? Wollen mal so sagen: Keine Ahnung. Aber wenn selbst British Sea Power vor der eigenen Haustür aufräumen, ist wohl wirklich was im Busch da drüben. Zumal man deren Geisteszustand mit "halbverrückt" ja auch nur zur Hälfte erfaßt hätte.

Erklären wir aber zunächst für Uneingeweihte, Ignoranten und Gehörlose: Das Debüt "The decline of British Sea Power" war eine Glam-Punk-Pop-Platte auf quietschenden Reifen, die die letzte Abfahrt nach Gut und Böse leider um ein paar Kilometer verpaßt hatte. Gregorianische Choräle, Rabauken-Rock, Bowie-Songwriting und obendrauf ein 13-Minuten-Grabstein, bei dem einen schon mal interessiert hätte, was Jarvis Cocker eigentlich dazu sagt. Die echten Abenteuer gehen für diese Gruppe aus Brighton jedoch erst auf der Bühne so richtig los. Dort steht sie dann rum zwischen Grünzeug und Plastikeulen, guckt apathisch, trägt alte Bauernkostüme. Und ist eine der letzten wirklich einzigartigen Livebands unserer Tage. Gewesen. Gewesen?

Fest steht bis jetzt nur: Ihre crazy Eskapaden sparen sich die chaosliebenden Matrosen bis auf weiteres für ihr Zweitprojekt Brakes auf, das ja nebenbei bemerkt auch 2/2 von The Electric Soft Parade enthält. Und unbedingt gesagt werden sollte außerdem, daß man sich um British Sea Power deshalb noch lange keine Sorgen zu machen braucht. Die haben sich nicht nur bedeutend eleganter aus der Pop-Affäre gezogen als etwa Athlete mit "Tourist". Sie machen auch weiterhin den Eindruck, als wären sie ohnehin nicht fähig, auch nur einen einzigen schlechten Song zu schreiben. Jetzt, wo alles blitzt und blinkt vor Sauberkeit, kann man das sogar noch viel besser sehen.

Alles an "Open season" scheint im Gleichgewicht zu sein. Auf die kontrollierte Upbeat-Offensive des eröffnenden "It ended on an oily stage" folgt "Be gone" als Wiegenlied für Erwachsene. Nach der aufsässigen Gitarre aus "Will I ever find my way home?", die nach dem ersten Refrain so schön schlotterig um die Ecke gebogen kommt, sorgt das honigsüße "Like a honeycomb" gleich wieder für Mäßigung. Und so geht das eine Dreiviertelstunde lang immer hin und her, vor und zurück, wie im Schaukelstuhl. Bequemlichkeit ist das Schlüsselwort. Man fühlt sich tatsächlich so geborgen, wie es eben geht. In der Gegenwart von Menschen, die sich einen halben Baum um die Birne gewickelt haben.

So ist es am Ende also doch nur eine Frage der Zeit, bis wieder irgendjemandem irgendetwas Ausgefallenes einfällt. Die Platte entdeckt Streicher und Bläser nach hinten raus, auch wenn weder der verschmitzte Schluß von "Victorian ice", noch das halb verschluckte Gepuste aus "True adventures" besonders viel mit dem handelsüblichen Gebrauch von Celli oder Trompeten zu tun haben. Auch wie die Klampfen im sympathisch benebelten "Oh Larsen B" in der Endlosschleife auslaufen, bringt einem kein verantwortungsvoller Gitarrenlehrer bei. Aber was British Sea Power hier zustande gebracht haben, das können sie auch damit nicht mehr verschleiern. Eine richtiggehend spießige Pop-Platte. Macht man das so wie sie, kann es wirklich nichts Schöneres geben.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • It ended on an oily stage
  • How will I ever find my way home?
  • Please stand up
  • Oh Larsen B

Tracklist

  1. It ended on an oily stage
  2. Be gone
  3. How will I ever find my way home?
  4. Like a honeycomb
  5. Please stand up
  6. North hanging rock
  7. To get to sleep
  8. Victorian ice
  9. Oh Larsen B
  10. The land beyond
  11. True adventures
Gesamtspielzeit: 46:35 min

Im Forum kommentieren

Desare Nezitic

2015-01-04 16:58:26

@Machina

Ich nutz es zumindest immer, wenn ich mich in mir noch unbekannte Bands mit nicht ganz kleiner Diskographie reinhören will.

*rym und auch Discogs sind da tatsächlich sehr passend für. Bei *rym gibt es ja auch zusätzlich die stark genutzte Möglichkeit zu Userreviews, die teilweise auch sehr anschaulich geschrieben und auch so recht interessant sind.


@Hogi
Die EPs sind durch die Bank sehr gut...

Würde ich nicht abstreiten. Ist natürlich viel demoartiges drauf, was für den Non-Hardcorefan einigermaßen verzichtbar ist. Aber auch einige Perlen und ein paar Versionen, die ein kleines Stückchen besser sind als die endgültigen Songs auf "Machineries of Joy".

The MACHINA of God

2015-01-04 16:48:18

Ich nutz es zumindest immer, wenn ich mich in mir noch unbekannte Bands mit nicht ganz kleiner Diskographie reinhören will.

The MACHINA of God

2015-01-04 16:42:39

@Desare:
Ah okay, alles klar.
Wobei ich die Schwarmintelligenz bei rym meist sehr passend finde.

Hogi

2015-01-03 20:50:50

Die EPs sind durch die Bank sehr gut...

Desare Nezitic

2015-01-03 20:02:39

@Machina

Yepp, ganz knapp vor "From the Sea to the Land Beyond" :D

http://rateyourmusic.com/artist/british_sea_power

Würde ich aber auch nicht wahnsinnig viel drauf geben. Die BSP-Fans, mit denen ich mich bisher unterhalten hatten, fanden OS fast immer am Schwächsten.

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