The National - Alligator

Beggars Banquet / Indigo
VÖ: 11.04.2005
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Weit weg

"Alles, was man über diese Band wissen muß, ist, daß sie gute Jobs für die Musik aufgegeben haben", wirbt die Labelseite von The National. Na das mutet doch schon einmal sehr symphatisch an, Vollblutmusiker ohne das Sicherheitsnetz der bürgerlichen Existenz. Aber heißen muß dies natürlich noch lange nichts. Allzuviele Musikfanatiker würden schließlich gerne die zerlöcherte Jeans anstelle des seriösen Anzugs anlegen, um dann aber mal ganz crazy auszuticken. Sowas ist ja auch meistens nett anzusehen, aber für feine Musik nicht unbedingt erforderlich. Geschmeidige Töne wie die von The National entspringen aus einem Kopf voller Träumerei und der Gabe, dies musikalisch umzusetzen.

Deswegen darf auf "Alligator", dem dritten Album der fünf New Yorker, der Anzug auch ruhig anbleiben. Der sieht da nämlich nicht künstlich nach den glitschigen 80ern aus, sondern versprüht als angefressenes Kleidungsstück vielmehr distanzierte Leonard Cohen-Eleganz. Weniger Songwriter als der Altmeister, aber genauso brummelig bewegt sich Sänger Matt Berninger durch die verspielten Gitarrenklänge, rezitiert dabei mehr, als daß er singt. Romantisch kingt dies, sehnsüchtig und melancholisch, aber vor allem immer nach lächelnder Poesie. Und großer Wärme. Da wirken Klagen über das kaltherzige Amerika und - natürlich - die Probleme mit dem anderen Geschlecht nur allzu glaubwürdig.

Bis auf wenige Ausnahmen, wie die im Stile guten alten englischen Rock'n'Rolls tönende flotte Single "Abel", herrscht die Macht der Ruhe vor. Die langsamen Lieder werden meist vom schnellen Springen zwischen zwei Gitarrensaiten getragen, was mal an Unterwassergeplacker, mal an wäldliche Nebelatmosphäre erinnert. Bye, bye, reale Stadt-Welt, Eure Probleme nehmen wir mit, aber Regeln gelten andere. Wir halten "Secret meetings" in Berningers Kopf ab und begleiten die Musiker auf der nächtlichen Suche nach Astronauten am Sternenhimmel. Oder werden selbst Astronauten, um dann federleicht auf den Tönen balancierend von oben auf das eigene schwere Treiben herabzublicken? Selbst Streicher und Piano heben von Zeit zu Zeit subtil mit an, glücklicherweise aber, ohne daß damit in schwülstigen Orchester-Kitsch verfallen wird.

Am wohlsten fühlen sie sich die Fünf nämlich sowieso wieder unten in den weltlichen Gefilden. Mit "I wish that I believe in faith / I wish I didn't sleep so late" wird in "Mr. November" zwar über ein Zuviel des Laissez-Faire geklagt, aber schummrige Pubs mit Kerzenschein und dezentem Weinduft in der Luft sind das Ihre. Denn auch, oder gerade dort wartet die Poesie. Im leisen "City middle" spinnt Berninger einen imaginären Liebesdialog zur gewollten Dame, um dann letztendlich doch nur einem exzessiven amerikanischen Autor Tribut zu zollen: "I think I'm like Tennessee WIlliams, I wait for the click / I wait, but it doesn't kick in." Im Hintergrund summt der resignierte Männerchor der Mitmusikanten dazu. Ja ja, die stets unsichere Suche nach wahren Gefühlen. Einschlagen will man da. Und mittönen. Und anstoßen. Große Musik!

(Tobias Wallusch)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Karen
  • Looking for astronauts
  • City middle
  • Mr. November

Tracklist

  1. Secret meeting
  2. Karen
  3. Lit up
  4. Looking for astronauts
  5. Daughters of the soho riots
  6. Baby we'll be fine
  7. Friends of mine
  8. Val Jester
  9. All the wine
  10. Abel
  11. The geese of beverly road
  12. City middle
  13. Mr. November
Gesamtspielzeit: 48:00 min

Im Forum kommentieren

fakeboy

2023-09-27 12:57:28

Ich wiederhole mich: Meine liebste von The National. Vom ersten bis zum letzten Ton bewegend. Hab die Band mit diesem Album in einem 500er Club das erste Mal live gesehen - Abel und Mr. November haben alles weggehauen. Grandioses Konzert war das.

(10/10 für Platte und das damalige Konzert)

Affe in der Bananenfabrik

2023-09-27 12:43:14

Find ich auch, klasse Album!

didz

2023-01-20 08:08:08

für mich hinter 'boxer' auf der 2, die geben sich aber nich wirklich viel.

...'geese of beverly road', 'mr. november', 'lit up'...ja, ein hit jagt den nächsten. einfach nur toll das ding.

rainy april day

2023-01-20 00:26:43

Für mich hinter Boxer und High Violet, aber wahrscheinlich das Album. mit den meisten Songs in meiner The National Top 10. Karen, Baby we'll be fine, City Middle, All The Wine... richtige Granaten drauf

fakeboy

2023-01-19 23:58:34

Meine liebste von The National. Vom ersten bis zum letzten Ton bewegend. Hab die Band mit diesem Album in einem 500er Club das erste Mal live gesehen - Abel und Mr. November haben alles weggehauen. Grandioses Konzert war das.

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