Farin Urlaub - Am Ende der Sonne

Völker hört die Tonträger / Universal
VÖ: 29.03.2005
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Sonnenmilchbart

Wenn er mal nicht gerade im Urlaub oder auf Tour ist, nimmt er Songs auf. Und wenn Die Ärzte gerade mal Pause machen, hat er ja jetzt sein Soloprojekt. Schon "Endlich Urlaub" grinste sich ein prima Rockscheibchen zusammen. Genauso infantil wie die Hauptband, nur noch ein wenig verspielter. Für den Zweitling ist Urlaub wieder gereist, um neue Inspiration zu finden. Und zwar "Am Ende der Sonne." Dort fand er jede Menge Gitarren. Weit rockiger als der Vorgänger prügelt und trümmert Urlaub die Untermalung seiner Kalauer zusammen. In dieser Garage steht allerdings eine Wagenladung Politur, so daß niemand verschreckt vor zuviel Lärm fliehen müßte. Lautstärke, Baby!

Wenn sich Urlaub darüber aufregt, daß sich die "Sonne" kein Photon um seine Problemchen kümmert und einfach weiterscheint, ist das angenehm theatralisch. Da wird "Porzellan" zerschmissen und "Unter Wasser" philosophiert. Und manche Melodie wirkt so, als hätte Urlaub entgegen seiner Grundüberzeugung doch mal an leckeren Drogen genascht. Aber bei jemandem, bei dem sogar die Chromosomen grinsen, muß man damit wohl genauso rechnen wie mit der nächsten hymnischen Hookline. Auch wenn "Am Ende der Sonne" davon insgesamt weniger zu bieten hat als "Endlich Urlaub" oder "Geräusch".

Dabei tut Urlaub nicht einmal so, als würde er sich beim Versuch, keine Hits zu schreiben, sonderlich anstrengen. Da werden Unsauberkeiten poliert und Melodien an den Ohren herausgezogen, daß man sich mitunter wie mitten in einer Foo-Fighters-Platte fühlt. Kontrollierter Zorn, gewitzt-melancholisches Haudrauf. Und oben drauf ein kleines bißchen Größenwahn: "Gott ist neidisch, denn zum zweiten Mal / Geb ich alles - und noch ein bißchen mehr." Nämlich: Ska-Fetzen, Chorgeplänkel, Countryhopser, metallisches Scheppern und knirschenden Indierock.

Doch allen Ulks wie "Dusche" oder "Wie ich den Marilyn-Manson-Ähnlichkeitswettbewerb verlor" zum Trotz läßt der Soloarzt tatsächlich aus Spaß Ernst werden. Ist "Am Ende der Sonne" am Ende nur eine Umschreibung von "Schluß mit lustig"? Das bittere "Apokalypse wann anders", die wuchtige Trotzhandlung "Immer noch", das resignierte "Kein Zurück" und auch die quergeblasene Harmoniesucht "Alle dasselbe" überspielen die Bitterkeit nur mit lauten Riffs und feisten Späßen. Zwischen dem Geschreie, Gesäusel und Gehauche taucht er irgendwann auf: der Bierernst. Und das von einem erklärten Abstinenzler.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sonne
  • Porzellan
  • Unter Wasser
  • Wie ich den Marilyn-Manson-Ähnlichkeitswettbewerb verlor
  • Apokalypse wann anders

Tracklist

  1. Mehr
  2. Sonne
  3. Augenblick
  4. Porzellan
  5. Unter Wasser
  6. Wie ich den Marilyn-Manson-Ähnlichkeitswettbewerb verlor
  7. Unsichtbar
  8. Apocalypse wann anders
  9. Schon wieder
  10. Immer noch
  11. Alle dasselbe
  12. Kein Zurück
  13. Dermitder
  14. Dusche
Gesamtspielzeit: 51:51 min

Im Forum kommentieren

derdiedas

2021-01-21 14:30:22

Die Version mit Akustikgitarre auf dem Livealbum find ich noch besser, aber Hammersong

Felix H

2021-01-21 14:13:10

Wie unbarmherzig "Immer noch" ist, Wahnsinn.

Huhn vom Hof

2018-12-15 14:06:16

FU sagt, er ist nicht depressiv, hat aber, als er das Album schrieb, versucht, sich in die Lage eines Menschen zu versetzen, der an Depressionen leidet.

Er hat "Am Ende der Sonne" zum richtigen Zeitpunkt veröffentlicht, im grausamen Jahr 2005. Man kann sagen, dass "Kein Zurück" mir geholfen hat als mein Vater starb. Danke, Farin.

Jaggy Snake

2018-12-15 10:05:17

Er sagt ja immer, seine Musik reflektiert keine Privatsachen, aber hier glaube ich, dass er eine richtig beschissene Phase gehabt haben muss
Ja, finde das ziemlich absurd, wie oft er das betont. Macht es nicht glaubwürdiger ;-) Und Musik ist nunmal auch ein Ventil für die eigenen Gefühle, da kann er mir nix erzählen. Sowas wie "Sonne" schreibt man wohl kaum einfach so, wiel man Bock drauf hat.

Felix H

2018-12-15 00:36:13

Sein bestes Album, obwohl das Debüt vielleicht die besseren Einzelsongs hat. Aber so düster wurde er auf Albumlänge (trotz einzelner lustiger Tracks) nie wieder. Er sagt ja immer, seine Musik reflektiert keine Privatsachen, aber hier glaube ich, dass er eine richtig beschissene Phase gehabt haben muss. Da steckt so viel Bitterkeit drin.

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