The Thrills - Let's bottle bohemia
Virgin / EMIVÖ: 07.02.2005
Sonnenwende
Die Thrills fordern dazu auf, die Bohème abzufüllen? Annett Louisan zu übermäßigem Alkoholgenuß zu verführen? Und wenn schon! Die wollen doch nur spielen: Zweihundert Konzerte wurden im Band-Kalender seit der Veröffentlichung ihres Westcoast-Pop-Sonnenschein-Debüts "So much for the city" notiert, unter anderem als Support der Rolling Stones und Pixies, von Bob Dylan auch R.E.M. dieser Tage. Um den Live-Sound einzufangen, verzichteten die Thrills bei ihrem zweiten Longplayer gänzlich auf Demo-Aufnahmen. Zusammen mit Produzent Dave Sardy (Johnny Cash, The Walkmen) begab man sich nach Los Angeles, in die "Sunset Sound Studios". Sunset! An dieser Stelle würde der Floskel-Lateiner "nomen est omen" murmeln. Denn: Die Sorglos-Sonne, die Sommerfrischmelodien herauskatapultierte, wie Rosenmontagszügler Kamelle, ist tatsächlich ein wenig untergegangen.
Unzählige Strandparties haben anscheinend etwas Sand im Getriebe der thrills'schen Songmaschine hinterlassen. Die neue Kantigkeit präsentiert sich schon in den ersten Sekunden von "Tell me something I don't know" mit ungewohnt bleifüßigen Rock-Riff-Gitarren und beinahe übermotiviertem Schlagzeug. Aha, die Pop-Jünglinge haben ihre Unschuld verloren! Und klingen jetzt auch mal so richtig dreckig. Daß der Testosteronhaushalt stimmt, beweist Conor Deasy zusätzlich, indem er nun einen stolzen Vollbart zur Schau trägt. Er lamentiert über das Leid des Künstlers, des Liebenden und des Nicht-Liebenden, des Gescheiteren und des Gescheiterten. Eitel Sonnenschein adé.
Eine Schlechtwetterfront ist der zweite Thrills-Longplayer aber natürlich trotzdem nicht. Das bekämen die Fünf wohl auch mit allergrößten Bemühungen kaum hin. Ihre niedliche Schüchternheit haben sie jedoch abgelegt. "Let's bottle bohemia" klingt dichter, kompromißloser, kraftvoller und selbstbewußter als sein Vorgänger. Selbstbewußtsein ist auch durchaus angebracht, immerhin konnten namhafte prominente Mitmischer gewonnen werden: R.E.M.-Gitarrist und bekennender Thrills-Fan Peter Buck zupft die Gitarren- bzw. Mandolinensaiten auf dem luftig-federnden "Faded beauty queens" und dem großartigen "The curse of comfort". Der für seine Kollaborationen mit den Beach Boys berühmte Van Dyke Parks arrangierte "The Irish keep gate-crashing". Und Filmmusik-Meister Michel Colombier (Air, Serge Gainsbourg) schrieb die Streicherparts für die Zeitlupentempo-Ballade "Not for all the love in the world" sowie die bissige Halbpromiglitzerwelt-Satire "Whatever happended to Corey Haim?".
Daß man sich schließlich doch nicht ernsthaft "Whatever happened to The Thrills?" fragen muß, liegt vor allem daran, daß sich ihre Songs dank pop-poliertem Brennglas noch immer souverän eingravieren. Zwar nicht mehr so schnell so tief wie die Stücke ihres Debüts - charmant-sprudelnde Naivität hat leider dem soliden Glanz von Erfahrung Platz gemacht. Aber dafür scheint die Intuition der Dubliner für Melodien forever young zu sein. Ob der große melodische Wiedererkennungswert möglicherweise eine Affäre mit Madame Déjà-entendu hat, ach, das ist doch wie mit den Gerüchten der Halbpromiglitzerwelt: Sollte man gar nicht wissen wollen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Whatever happened to Corey Haim?
- Not for all the love in the world
- The curse of comfort
Tracklist
- Tell me something I don't know
- Whatever happened to Corey Haim?
- Faded beauty queens
- Saturday night
- Not for all the love in the world
- Our wasted lives
- You can't fool old friends with limousines
- Found my rosebud
- The curse of comfort
- The Irish keep gate-crashing
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Takenot.tk
2023-05-25 08:13:41
Höre dieses Album immer noch sehr, sehr gerne. So federleicht, und doch bittersüß melancholisch...
Gordon Fraser
2023-05-25 01:24:58
https://www.independent.co.uk/arts-entertainment/music/features/the-thrills-interview-so-much-for-the-city-b2344096.html
Hübscher Rückblick auf die Band, die so schnell und stark gefallen ist wie sie vor 20 Jahren aufgestiegen ist.
toolshed
2010-10-28 01:13:48
Ziemlich hübsche Musik.
Pelo
2005-08-24 22:54:51
Waren heute bei der TV Serie O.C. California zu sehen, ansonsten ein ganz gutes Album wie ich finde
bartel(d.E.)
2005-02-10 10:08:45
Gute Songs, keine Frage, aber kommen die an "One Horse Town", Santa Cruz, Big Sur, etcpp heran? Erreicht überhaupt insgesamt "Lets bottle Bohemia" die Perlendichte und Geschlossenheit von "So much for the City"? Imo Nein. Die erste gehörte vorletztes Jahr zu meinen meistgespielten. Die Neue (die ja eigentlich auch schon 4-5 Monate alt ist) ist bereits schon wieder weggelegt.
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