
The Weakerthans - Left and leaving
B.A. / IndigoVÖ: 04.09.2000
Was die Stille bedeutet
Es soll Menschen geben, die sich grundsätzlich fehl am Platze fühlen. Nicht nur im kleinen Rahmen, wenn sie irrtümlich in den Toilettenräume des anderen Geschlechts gelandet sind oder sich das erhoffte rauschende Fest als nüchterne Debatte über Aktienkurse herausstellt, sondern grundsätzlich. Und dann soll es auch noch Menschen geben, die Lieder darüber schreiben und eine ganze Platte damit füllen. Menschen wie der Kanadier John K. Samson, der 1997 das Melodycore-Denkmal Propagandhi verließ, um sich zu neuen Ufern aufzumachen und mit den Weakerthans zu verwirklichen. Es war die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt, die dieses zweite Album "Left and leaving" einläutete, eine Elegie vom Verlassen und Verlassensein.
Auf dem Cover finden sich ein altertümliches Foto im goldenen Rahmen, ein kleines Rad und eine vergilbte Eintrittskarte. Kleinigkeiten ohne erkennbaren Zusammenhang, die aus verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Orten stammen und wie häßlich klagende Ansichtskarten wirken. "Left and leaving" zeugt von Einsamkeit, von fremden und unfremden Städten, und letztendlich vom hoffnungslosen Verlorensein. Von Dingen, die man normalerweise nie wahrhaben möchte und einen, wenn es so weit ist, nicht mehr loslassen. Samsons herzerweichende Stimme ist das richtige Werkzeug, um Augen und Ohren zu öffnen. Nicht nur wegen der Ähnlichkeit zu alten Bekannten wie den Belgiern Tom Barman (dEUS) oder Stef Emil Carlens (Zita Swoon) braucht es nicht viel, um Vertrauen zu schließen und sich darauf einzulassen. Hinter den Weakerthans verbergen sich große Philosphen, Geschichtenerzähler und Poeten, so daß die Texte von "Left and leaving" zum großartigsten zählen, was ich seit langem gehört und gelesen habe. Tonträger und Poesiealbum in einem.
Folkrock-, dEUS- und Emo-Anhänger dieser Welt, springt auf diesen Zug auf! Die Türen schließen selbständig. Genießen Sie fünf Minuten nie gekannter Schwermut in "This is a fire door never leave open". Sie haben Anschluß an elf Kleinode, die dem in nichts nachstehen. "Left and leaving", wen kümmert das schon? Hauptsache, man ist am Ziel, und wenn das Ziel nur "unterwegs" heißt. Das Leben ist ein Roadmovie. "Für alle, die nirgendwohin gehören und für alle, die an einen Ort gehören ist es zu viel, irgendwo anders hinzugehören". Mit diesen sinnigen Worten von Alden Nowlan ist das Album übertitelt. Der passende Soundtrack für die nie endende Suche nach dem richtigen Ort, die in der Natur des Menschen liegt, ist grenzenlos schöner Folkrock, der nie zu laut ist und nie zu leise, sondern die stillen Zwischentöne zum Zittern und Beben bringt. "The silence knows what your silence means" - nach dem Hören dieses Albums müßten all diese Dinge jedem bewußt sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Aside
- This is a fire door never leave open
- Left and leaving
Tracklist
- Everything must go!
- Aside
- Watermark
- Pamphleteer
- This is a fire door never leave open
- Without mythologies
- Left and leaving
- Elegy for Elsbet
- History for the defeated
- Exiles among you
- My favourite chords
- Slips and tangles
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solea
2024-08-15 00:42:03
Mein Bruder ist damals ausgezogen, er ist 7 Jahre älter. Das müsste Ende der 90er gewesen sein. Er hat mir zum "Abschied" ein paar CDs auf Kassette überspielt. Unter anderem war Fallow dabei. Ich hatte mich damals gewundert, weil er doch sonst nur Punk Rock etc gehört hatte. Habe es aber lieben gelernt und mit left and leaving habe ich dann später einer meiner absoluten Lieblingssongs gefunden.
HerrH.
2023-03-11 10:38:01
... und weil's mir so wie MartinS geht, höre ich gerade das erste mal in meinem Leben "The dark, dark bright" von There Will Be Fireworks.
Und genau wie in der dazugehörigen Rezi geschrieben: Danke!
fakeboy
2023-03-11 09:17:58
Ich hab sie zum Glück auf jeder Tour seit Left and Leaving gesehen. Der alte Bassist wirkte immer etwas grimmig, mit dem neuen wurden sie dann noch knuddliger auf der Bühne. 2017 sah ich auch John K. Samson, der auf dieser Tour von Jason Tait und Greg Smith begleitet wurde, was einer 3/4-Reunion gleich kam (wobei die herrlichen Gitarrenparts von Stephen Carroll schon schmerzlich vermisst wurden).
dreckskerl
2023-03-11 00:39:35
Das Video besticht durch den road movie Charakter, fast aus jedem Ort ein Song, was für ein schönes Land und was für nette Menschen und was für eine großartige Musik.
Ich hab sie 2003 und 2008 gesehen und bis heute kann ich es nicht fassen, dass ich ihre allerletzte Tour 2011 im Kölner "Underground" verpasst habe.
fakeboy
2023-03-11 00:14:14
Oh, die hab ich zuhause. Ich mag das Album, allerdings mit einer kleinen Einschränkung. Auf der Tour damals war ein dritter Gitarrist dabei - und ich mochte die Band live etwas lieber in der "klassischen" 4er-Besetzung. Unvergessen mein erstes Weakerthans-Konzert auf der Tour zum Album - müsste ca. 2001 gewesen sein? Grossartiges Konzert! Marcus Wiebusch war damals Fahrer und Mercher der Band.
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