
Stephan Eicher - Tour Taxi Europa
Electric Unicorn / Virgin / EMIVÖ: 27.09.2004
Stadionsprecher
Es gibt genau zwei Dinge, die man mindestens einmal im Leben getan haben muß: einen Baum pflanzen. Und ein richtig dickes Mega-Konzert besuchen. Mit 50.000 Leuten im weiten Rund, wo sonst nur die Stehgeigen von Fußballern spielen. Oder auf dem größten Platz der Stadt. Beschallt mit fetter PA-Anlage, bei der RTL-Reporter gerne nachrechnen, wie lang der verschwendete Strom eine vierköpfigen Familie versorgen könnte. Der Rezensent erinnert sich an sein musikalisches Baumpflanzen, an die beiden Shows von Nena und Pur, die er in den letzten zwei Jahren goutiert hat, aber auch nur, weil sie keinen Eintritt kosteten. Und der Rezensent hat ein unwohles Gefühl dabei, ausgerechnet wegen "Tour Taxi Europa" daran zurückdenken zu müssen.
Denn ins "Ancienne Belgique" in Brüssel, wo diese Live-CD mitgeschnitten wurde, passen maximal 2000 Menschen, vermutlich waren so viele nicht einmal da. Und doch entfachen Stephan Eicher und seine vier Mitmusikanten eine pompöse Rockshow in blechernem Sound, als ob sie tatsächlich ganz Europa beschallen wollten. Druckvolle Interpretationen in aller Ehren, aber laßt doch bitte noch die Zwischentöne leben! Leider war man nur selten so freundlich wie bei den akustisch dargebotenen, wunderschönen "Rivière" und "Two people in a room". Schade, daß es hiervon nicht mehr gibt. Und überhaupt fehlen ziemlich viele geschätzte Klassiker aus dem Eicher-Oeuvre, wie "Combien de temps", "Manteau de gloire" oder vor allem "Tu ne me dois rien". Vielleicht auch besser so. Hier wären sie eh nur plattgewalzt worden.
Beim rührenden, in Schwyzerdütsch vorgetragenen "E*" wird rhythmisch geklatscht wie im Musikantenstadl, beim Eicher-Klassiker "Déjeuner en paix" wummsen die Drums und schlägt sich der E-Gitarrist in Pose, und vom Titelsong des letzten Albums "Taxi Europa" ist auch nicht mehr viel übrig. Den schon jetzt legendären Part von Herbert Grönemeyer ("Bin zuuu langööööö unterwöögs...") übernimmt ein Herr Achim Meier, der Keyboarder, der außer einem Stück Namen wenig mit Hörbie gemeinsam hat. Und wenn der zweite Duettpartner Max Gazzè gelangweilt am Ton vorbeisingt, ist der tolle Song fast kaputt gekriegt. Aber nur fast. Auch wenn man sich gerade hier das Unplugged-Konzept herbeiwünschen würde. Und die Duettpartner hinweg.
Wenn Live-Alben einen daran erinnern, daß man dringend mal wieder den ganzen Backkatalog rauf und runter hören sollte, ist irgendwas schiefgelaufen. So auch bei "Tour Taxi Europa", einer weitgehend verschenkten Chance von einem der bemerkenswertesten Künstler Europas. Daß dieser gegen Ende noch den NDW-Gassenhauer "Eisbär" seiner alten Band Grauzone darbietet, mag interessant sein, unterscheidet sich in seiner drögen Darbietung aber wenig vom Rest. Auch wenn Stephan Eicher just in dem Moment darüber nachzudenken scheint, was gewesen wäre, wenn seine ganze Band mit einem Schnupfen zuhause geblieben wäre. Und es fällt ihm wie Schuppen von den Augen: "Dann müßte ich nicht mehr schrei'n / Und alles wär so klar."
Highlights & Tracklist
Highlights
- Rivière
- Two people in a room
- Dejeuner en paix
Tracklist
- Intro
- On nous a donné
- Mon ami (Guarda e passa)
- Cendrillon après minuit
- Taxi Europa (with Max Gazzè & Achim Meier)
- Tant & tant
- Venez danser
- Rivière
- Gute Nacht
- Rien n'est si bon
- Louanges
- Two people in a room
- Hemmige
- Déjeuner en paix
- Les filles du Limmatquai
- Elle vient me voir
- Pas d'ami (Comme toi)
- Eisbär
- La chanson bleue
- E*
Referenzen
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