Patty Moon - Clouds inside

Traumton / Indigo
VÖ: 18.10.2004
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Wohnzimmerdepressionen

Wir wissen das aus eigener Erfahrung: Manch einer ist immer noch nicht darüber hinweg, daß Alison Goldfrapp und ihr Zirkusdirektor Will Gregory die zweite Goldfrapp-Platte auf einer Überdosis Viagra eingespielt haben. Ein One-Way-Ticket raus aus dem eigenen Wunderland gelöst haben, in jeder x-beliebigen Ibiza-Disco zwischengelandet sind und gar nicht mehr daran denken, den zauberhaften Marlene-Dietrich-Pop ihres unwirklichen Debüts "Felt mountain" wieder aufzunehmen. Aber das war ja auch ein Album, das allein schon zu schön war, um wahr zu sein. So was macht man kein zweites Mal. Also mußte es jemand anders tun.

Hier nun bringen wir Patty Moon ins Spiel. Die sitzt so circa seit 1998 zuhause in der Stube und staunt immer wieder darüber, wie ihr ein Song nach dem anderen zufliegt. "Wohnzimmerimpressionen" sagt sie selbst dazu und man möchte das gar nicht glauben, wenn einem hier die Klarinetten, Saxofone und Flügelhörner in den Ohren klingeln. Aber da ist ja auch noch Tobias Schwab. Der Dompteur in dieser Manege, der Produzent, Arrangeur und Soundtüftler, der zu jeder von Pattys zierlichen Songideen den passenden Teppich ausrollt. Ganz gleich, ob da nun ein kleines iBook oder ein ganzes Orchester draufsteht.

Der aufmerksame Leser weiß natürlich längst, wo der Weg nun hinführt. "Clouds inside", das von Mario Thaler produzierte, in Weilheim aufgenommene und außerdem streckenweise wunderschöne erste Album von Patty Moon spielt mit vielen Dingen, die vor drei Jahren auch noch in einer Goldfrapp-Wundertüte dringewesen wären. Erhabene Grandezza, dekadente Ausschweifungen, Streicher, Bläser, Kuscheltronic, und eine Stimme, deren Besitzerin schon bald in lasziven Stöckelschuhen und jedem klaren Kopf über knarrende Varieté-Theater-Bühnen stolziert. Bloß, das Album ist damit allein noch nicht zufrieden. Es will mehr als nachmachen, hinausgehen über die vermeintliche Vorlage. Und weil wir längst wieder im Wunderland zurück sind, haut das auch noch hin.

Zum Auftakt spuken "Mister sky" und "Second winter" in Schrittgeschwindigkeit durch die Geisterbahn. "Borderline" lacht dann dem Pop mit Eiseskälte ins Gesicht. Was in den sechs Minuten von "Humming" zwischen nervösen Streicherschwärmen, berstenden Spannungsbögen und galoppierenden Gitarren passiert, das nimmt beinahe schon montrealsche Post-Rock-Züge an. Und obwohl man diese eigenartige und -willige Musik gar nicht mehr mit anderen Künstlern vergleichen möchte, ist "Stop and go" wohl doch der beste Portishead-Song der letzten fünf Jahre. "I had breakfast with the devil himself", meint Patty einmal fast beiläufig. Und diese Platte scheint wirklich einen Pakt mit dem Teufel zu haben. It's so cosy in hell.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Mister sky
  • Second winter
  • Borderline
  • Humming

Tracklist

  1. Mister sky
  2. Second winter
  3. Me and the moon
  4. Borderline
  5. Humming
  6. Stop and go
  7. Possibly Lucifer
  8. Composing
  9. Dragon heart
  10. Harmony
  11. Marlena's hand
  12. Horses getting weak
Gesamtspielzeit: 49:02 min

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  • Patty Moon (5 Beiträge / Letzter am 21.10.2017 - 20:54 Uhr)