Isis - Panopticon

Ipecac / Southern / Soulfood
VÖ: 18.10.2004
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Unendliche Weiten

Anfang des 19. Jahrhundert entwickelte der britische Philosoph Jeremy Bentham das Panopticon. Ein dergestalt erbautes Gefängnis, das den Wächtern ermöglichte, die Insassen jederzeit zu beobachten, ohne dabei selbst gesehen werden zu können. Die Idee dahinter war, den Sträflingen das Gefühl von permanenter Überwachung zu geben - selbst wenn diese gar nicht erfolgte - und regelwidriges Verhalten somit zu minimieren. Letztlich hat sich diese Art der Haftanstalt zwar niemals durchsetzen können, für die Katz ist sie aber deshalb noch lange nicht gewesen. Ein paar abtrünnige Untergrund-Metaller waren nämlich so fasziniert von der Idee sich praktisch selbst überwachender Knastbrüder, daß sie das Panopticon kurzerhand zum leitenden Thema ihrer dritten Platte erkoren haben.

Man muß es eigentlich gar nicht mehr dazu sagen: Isis sind anders als andere Bands. Das fängt bei ihren Themen an und zieht sich auch durch ihre weitläufige, großformatige Musik. Endlose Gitarrenanstiege, minutenlanges Dahindümpeln, riesige Spannungsbögen, gewittrige Entladungen und markerschütterndes Gebrüll. Aufgetürmt zu sieben zentnerschweren Stücken zwischen 6:47 und 9:57. Wobei sie natürlich auch als ein einziges locker durchgekommen wären. Und mit Metal im eigentlichen Sinn schon lange nicht mehr viel zu schaffen haben. Weil Isis mal wieder ein paar Schritte vorwärts (und ein paar Millionen zur Seite) gegangen sind.

Einfach wird das für niemanden. Längen gehören hier schließlich zum Konzept, Umwege zum guten Ton und stetig zunehmende Komplexität zum Tagesgeschäft. Dennoch steht außer Frage, daß "Panopticon" sein Ziel erreicht. Wie hier vieles im Dunkeln gelassen wird, Andeutungen gemacht werden, zerrissene Melodiefetzen heranschleichen, Rückzieher machen und doch nach vorne drängen, wie hier Paranoia und nackte Angst aus eiskalten Stahlsaiten gekitzelt werden - all das muß einen früher oder später tatsächlich beinahe zwangsläufig gefangen nehmen, ins Fadenkreuz rücken, durchleuchten und kontrollieren. Eine Platte, die mit ihren Hörern spielt. George Orwell hätte seine Freude daran gehabt.

Und dabei möchte man vordergründig meinen, die Songs auf "Panopticon" funktionierten immerzu nach dem gleichen Prinzip. Schicht um Schicht werden Gitarren aufgetürmt, brechen dann in sich zusammen, schwellen doch wieder an und werden dabei von fürchterlichem Geschrei gejagt. Tatsächlich ist die Platte aber längst nicht so steif, wie sie wegen ihrer beinahe wissenschaftlichen Vorgehensweise zunächst erscheint. "In fiction" etwa drängelt sich durch ein beklemmendes, krachloses Intro zur staubsaugenden Hochdruck-Gitarre durch. Auch das umsichtige "Wills dissolve" tritt einem eher in den Bauch als vor den Kopf. Und in "Altered course" mit Tool-Bassist Justin Chancellor wird der umgekehrte Weg vom tosenden Gitarrensturm zum langsamen Ausglühen gemacht. Eine echte, lebendige Platte. Und wirklich nicht zu bremsen. Ein Selbstläufer.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • In fiction
  • Grinning mouths

Tracklist

  1. So did we
  2. Backlit
  3. In fiction
  4. Wills dissolve
  5. Syndic calls
  6. Altered course
  7. Grinning mouths
Gesamtspielzeit: 59:06 min

Im Forum kommentieren

Kai

2021-07-27 16:08:45

Es gab ein Repress der zwei Alben. Leider nur 1000 Stück und innerhalb von sehr kurzer Zeit (~1h) ausverkauft.

Eurodance Commando

2021-07-27 15:43:52

Was hier los? Dachte schon Reunion...

Kai

2021-07-27 15:18:36

FUCK!

cargo

2021-07-27 15:14:16

Bereits ausverkauft, genau wie die "Oceanic" Neuauflage. Ich habe gestern noch rechtzeitig zugeschlagen ;)

Kai

2021-07-26 13:13:16

Ein Facebook-Post lässt ein Repress in dieser Woche vermuten.

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