Ataxia - Automatic writing

Record Collection / Warner
VÖ: 16.08.2004
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Schreibmaschinen

Der Blutdruck hüpft, das Herzt springt, die Nerven tanzen. Ataxia nennt der Doktor das, wenn die Muskeln zucken, obwohl der Geist stillhalten will. Und falls es so etwas wie musikalisches Ataxia gibt, sollte sich John Frusciante womöglich besser mal einem Test unterziehen. Die Stimme der Vernunft, sie müßte ihm eigentlich sagen: "Mach langsam, Junge, sammle Deine Ideen, behalt manches lieber für Dich." Aber die Finger, diese zehn genialen, unkontrollierbaren Finger, holen weiterhin Song um Song aus der Gitarre raus und geben sie direkt ans Preßwerk weiter. Ein paar Tage später ist dann die nächste Platte fertig. Und wie durch ein Wunder ist wieder kein einziges Stück drauf, das auch nur die kleinsten Krankheitssymptome offenbart.

So war das bisher. Auf den Alben eins und zwei von mindestens sechs, die in diesem Jahr mit John-Frusciante-Beteiligung erscheinen werden. Und damit es jetzt auch so weitergeht, holt der Kerl sich für Nummer drei einigermaßen prominente Hilfe dazu: Josh Klinghoffer, so etwas wie die Mini-Me-Ausgabe des Meisters an Drums und Percussion, und Joe Lally, immerhin Fugazi-Mitglied, am Baß. Man nennt sich dann sinnigerweise Ataxia. Und überläßt die Kontrolle über sämtliche Sinne in der nächsten Dreiviertelstunde ganz der eigenen Intuition.

"Automatic writing" ist vielleicht immer noch nicht das vollkommen losgelöste Experimental-Album, mit dem Frusciante-Kenner bei jeder neuen Veröffentlichung rechnen. Es ist aber allemal seine entrückteste Arbeit seit dem drogenverseuchten "Smile from the streets you hold". Freischwebende Gitarren umflirren folgewidrige Synthesizer. Das Schlagzeug verbleibt meist hin und her gerissen zwischen effektiver Begleitung und offensivem Akzentesetzen. Und während Lallys sturer Baß sich um Ordnung und Erdung des wilden Treibens bemüht, läßt sich Frusciante als Sänger gehen wie lange nicht mehr. Schreien, Krächzen, Nuscheln. Und dann doch wieder Singen. Geradeheraus.

Fünf Songs sind so zusammengekommen, sieben bis zwölfeinhalb Minuten lang, nie um einen Schlenker verlegen. Leider nur kommen sie selten darüber hinaus, eben lange Songs mit vielen Schlenkern zu sein. "Automatic writing" steuert über die volle Distanz auf die eine große Entladung zu, den alles erklärenden Moment des Ausbruchs, der vermeintliche Längen in einleuchtende Spannungsbögen umformt. Aber er kommt nicht. Zumindest nicht auf dieser Platte, aber vielleicht ja auf dem zweiten Ataxia-Album. Es wird für Anfang '05 angekündigt. Und bis dahin muß eben reichen, daß man immerhin in den Melodietiefen von "The sides" wunderbar verloren gehen kann.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The sides

Tracklist

  1. Dust
  2. Another
  3. The sides
  4. Addition
  5. Montreal
Gesamtspielzeit: 44:42 min

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