I Mother Earth - Blue green orange

Mercury
VÖ: 06.03.2000
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Farbenlehre + Rastazopf = Ethnorock?

Denkt man an das schweißtreibende Konzert der "Dig"-Tour zurück, das 1993 vom WDR-Rockpalast ausgestrahlt wurde, kommt ein ungutes Gefühl auf, wenn der Blick auf die an Pet Shop Boys-Video erinnernde Computergrafik des Covers fällt. Schon beim Einlegen in den CD-Player verschwindet dieses Unwohlsein aber schnell. Der Opener "Love your starfish" empfängt einen zwar mit quietschenden Klängen, doch diese lassen sich einwandfrei als Gitarren identifizieren. Die verfrickelte Struktur des Songs schmiegt sich an den pumpenden Bass an. Das schneidende Riffing der Gitarre hindert den Gesang nicht daran, ein kraftvolles und doch eingängiges Stück Ahorn durch die Boxen zu pressen.

Für grungegewöhnte Ohren war die Vision von I Mother Earth schon in den frühen Neunzigern ungewöhnlich. Die Songs unterschieden sich in vielerlei Hinsicht vom Trend und so war die Welt nicht bereit für den Funk und die vielschichtige Rhythmik mit denen die vier Kanadier um die Welt zogen. Als einzige Antwort blieb wenigstens eine Schublade, in die man das Quartett aus Toronto stecken konnte: Ethnorock. Ob diese Bezeichnung zutrifft, sei dahingestellt. Ausschweifende Jamsessions, druckvoller Rock und hochgradig eingängige Stücke müssen jedoch keinen Widerspruch darstellen. Auch wild kreischende Wahwah-Gitarren, spritzige Basslicks, jazzig relaxte Schlagzeugspuren und perlende Percussioneinlagen lassen sich vereinen, wie uns "Summertime in the void" beweist.

An manchen Stellen wurde I Mother Earth vorgeworfen, mittlerweile einem zu technisierten Sound zu frönen. Nicht zu überhören ist aber, daß diese Einflüsse der Band spürbar gut getan haben und nicht zu einer Umkrempelung, sonders zu einer Ergänzung des Klangbildes führten. Einen bleibenden Eindruck hinterläßt auch der ungewohnt vielseitig klingende neue Sänger Brian Byrne, der mal wie Bono, mal wie Johnny Rzeznik klingt und dennoch auch heute noch kraftvoll zubeißen kann. In der emotionalen Interpretation der Stücke fühlt man sich an die Landsleute von Our Lady Peace erinnert, die ebenso zum Crossover aus Rockgestus und Hymne streben. Die ausgeklügelten Strukturen entstammen trotz ihrer offensichtlichen Eingängigkeit Jazz, Blues und gar Fusion, behalten aber durch den Mix von Mike Bodrill (Tool, Peter Gabriel, King Crimson) beide Füße auf dem Boden der (Rock-) Tatsachen.

In Kanada fuhr die dort schon im Juli 1999 veröffentlichte Platte schon nach zwei Monaten Platin ein. Ein ähnlicher Erfolg ist allerdings für Europa trotz prominenter Namen wie Geddy Lee (Rush) wohl nicht zu erwarten. Wie bei The Tea Party und Rush steht es zu befürchten, daß ihnen europäische Ohren nicht die verdiente Sympathie entgegen bringen können, selbst wenn sich der bei "Infinity machine" im Hintergrund ablaufende Text als deutsch entpuppt. Die Single "When did you get back from Mars?" zeigt zwar alle Zeichen einer modernen, vielschichtigen Produktion, ist aber letztlich wohl zu brav, als daß die blaugrünen Orangen Teil eines hierzulande chartträchtigen Obstsalates werden könnten.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Love your starfish
  • Good for sule
  • Blacksox

Tracklist

  1. Love your starfish
  2. All awake
  3. Gargantua
  4. When did you get back from Mars?
  5. Summertime in the void
  6. Good for sule
  7. Cloud pump
  8. Blacksox
  9. Autumn on drugs
  10. Infinity machine
  11. My beautiful deep end
Gesamtspielzeit: 63:47 min

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