Hope Of The States - The lost riots
SonyVÖ: 07.06.2004
The infinite sadness
Vorauseilender Gehorsam oder echte Tragödie? Daß Hope Of The States, den neuen Hoffnungsträgern britischer Progpoprockerei, noch vor dem Erscheinen ihres Debüts ihren Gitarristen durch Selbstmord verloren haben, verleiht den inhaltsschweren Epen auf "The lost riots" einen überaus traurigen Beigeschmack. Und wo bei den schicksalsverwandten The God Machine der Krebstod eines Bandkollegen die endgültige Implosion in Schwermut auslöste, bahnen sich die epischen Songs dieses Debüts schon ohne diesen konkreten Anlaß einen steinigen Weg durch Beklemmung und Depression. Das dortige Omega ist hier erst das Alpha.
Musik für hängende Köpfe also, und den Kloß im Hals hatten Hope Of The States anscheinend schon weit vor dem Schicksalsschlag. Ein wenig theatralisch wirkt diese Melange aus Pumpkinsschem Bombast, vertracktem Postrock und trübsinniger Harmonie durchaus. Gleich der tolle Opener "The black amnesias" dräut mit instrumentaler Finsternis vor sich hin. Zerbrechliche Saitenklänge und gehauchte Bläser wabern wie Nebel durch die pechschwarze Nacht. Da springt einen der Anspruch mit ein paar Streichern unter der Achsel mitten ins gerührte Gesicht. Das salbungsvolle "Enemies/friends" führt dann Sänger Sam Herlihys prägnantes Näseln ein. Wie bittersüße Tränen perlen die Noten durch den Song, und wenn am Ende das Schlagzeug losscheppert, schielt nicht nur Billy Corgan neidisch auf soviel ausgebreitetes Pathos.
Immer wieder flüstert die Akustische harmonische Kommandos, bis die Violine mitflötet, das Klavier zwinkert, der Verzerrer krächzt und die Kessel freudig aufstönen. Hope Of The States haben kaum den schnellen Hit im Sinn. Hier werden Geschichten erzählt, Abzweigungen erkundet und Stimmungen ausformuliert. Ohne Rücksicht auf Konventionen und weitere Verluste. Mit einnehmenden Hymnen und aufrüttelnden Versen. Mit psychedelischen Phantasien und krachigen Riffs. Ein quasifröhlicher Schunkler wie das naive "66 sleepers to summer" oder die doppelbödige Klavierballade "Black dollar bills" deuten an, zu welchen Großtaten diese Briten fähig sein könnten. Und die Song gewordene Gänsehaut "Nehemiah" holt mit einer melancholischen Energieleistung verloren geglaubte Seelen zurück aus dem Fegefeuer. Momente, die wie gleißende Sterne am nächtlichen Firmament wirken. In denen der Zuhörer sich hin- und mitreißen lassen will von so viel wehklagender Schönheit.
Dann aber kippt die Stimmung. Diese brillante Klangkunst, die hehren Absichten, der eigene Masterplan - sie alle lösen sich unvermutet in Wohlgefallen auf. Immer noch mehr Bombast, immer noch näher an die Kitschgrenze. Viel zu schnell hat man sich sattgehört. Der Wille zur ironiefreien Überzeichnung schubst den eigenen Anspruch ganz sanft über den Rand, und ein mulmiges Gefühl der Genervtheit macht sich breit. Wenn in "Goodhorsehymn" die Gitarren jaulen wie liebeskranke Wale im Stimmbruch. Wenn Herlihy seine Töne so aufreizend auslutscht wie ein übermotivierter Blutegel und dabei wie die spätpubertierende Heulboje von JJ72 klingt. Wenn man das ständige Klingeling und Täterä als Versuch durchschaut, von den trotz aller Verästelungen zu gleichförmigen Songs abzulenken. Wenn sich das abschließende "1776" in seinen immer länger werdenden fünfeinhalb Minuten jedweder Gänsehaut entledigt, mit der noch der stimmungsvolle Anfang schwanger ging. Überaus schade. Wer viel wagt, kann eben auch viel verlieren. Wer sich aber trotz all dem wirklich auf "The lost riots" einlassen will, hat Glück: Der Sturz auf den Boden der Tatsachen bietet einen faszinierenden Soundtrack.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The black amnesias
- 66 sleepers to summer
- Black dollar bills
- Nehemiah
Tracklist
- The black amnesias
- Enemies/friends
- 66 sleepers to summer
- Don't go to pieces
- The red, the white, the black, the blue
- Black dollar bills
- George Washington
- Me ves 4 surfres
- Sadness on my back
- Nehemiah
- Goodhorsehymn
- 1776
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