PJ Harvey - Uh huh her
Polydor Island / UniversalVÖ: 01.06.2004
The queen is not dead
Die Göttin aller nunmehr 30jährigen Indie-Jungs ist wieder da. Das Rolemodel aller Charlotten dieser Welt. Nach vielerlei Gerüchten, Raunen, Befürchtungen und vierjährigem Entzug atmen die Jünger auf: Polly Jean is back. Und wie!
Gerüchten zufolge war der Dame die Lust auf Soloveröffentlichungen abhanden gekommen, tat sie sich doch immer mehr als Produzentin und Mitwirkende an manchen Projekten hervor - zusammen mit Leuten wie Josh Homme, Marianne Faithful oder John Parish zum Beispiel. Man (also vorwiegend die britische Musikjournaille) raunte vom Weichwerden. Fester Freund. Glückliche Beziehung. Die Frau liebe auf einmal das Leben. Daraus folgernd dann die Befürchtung, die in der musikbeschreibenden Zunft einen vernichtenden Ausdruck kennt: Alterswerk.
Wie ist es also nun, das neue Album der PJ Harvey, "Uh huh her"? Mit einem Wort: großartig. Die Herrscherin der gitarrengetriebenen, oft selbstzerstörerischen Emotion schickt uns eine Mischung aus Donnerhall und Harfenklang. Will sagen: Der Ausflug in poppigere Gefilde, wie wir ihn mit dem 2000er Album "Stories from the city, stories from the sea" verkraften mußten, ist beendet. PJ ist zumindest vom Sound und von der Direktheit ihres Vortrags her wieder da angelangt, wo sie unter anderem mit dem 1993 von Steve Albini produzierten "Rid of me" herkam. Alles weglassen, was nicht unbedingt muß. Auch mal nur die Akustische hernehmen. Das ganze Spektrum dieser Stimme ausloten. Das Dunkle ans Licht zerren. So laut leise sein wie niemand sonst.
Womit wir allerdings auch bei den Unterschieden sind. Älter zu werden heißt hier zum Glück nicht kürzer zu treten. Auch nicht, die eigenen seelischen Abgründe für sich zu behalten. Schon die Songtitel lassen wieder Abgründe erahnen mit ihren Anspielungen auf Tod und das Ende, Verzweiflung sowie die dunklen Tage in einer Beziehung. Es heißt auch nicht, die Stimme zu schonen. "Who the fuck?", brüllt sie uns entgegen wie in den guten alten Zeiten. Dieses existenzielle Schreien klingt wie die Dekonstruktuktion aller angeblich sicheren Lebensentwürfe.
Neu ist: Die Intensität wird auch in den ruhigeren Stücken gehalten. Diese sind eindeutig in der Überzahl und funktionieren genau deshalb, weil sie roh, rauh und real sind. Denn für Polly Jean Harvey bedeutet das Älterwerden, gelernt zu haben. Reife. Emanzipation. Was unsinnig klingt - gab es je eine selbstbewußtere Performerin als diese wilde Frau? -, wird klar, wenn der Zuhörer ihren eigentlichen Lebensmotor erahnt: das nimmersatte Verlangen nach mehr. Glücklich zu sein, aber nicht zufrieden. Und jetzt: Alles selber machen. Komponieren, texten, singen. Alle Instrumente einspielen. Mischen und produzieren. Gut gemacht. Unsere Gebete wurden erhört.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Shame
- The pocket knife
- The letter
- The desperate kingdom of love
Tracklist
- The life and death of Mr. Badmouth
- Shame
- Who the fuck?
- The pocket knife
- The letter
- The slow drug
- No child of mine
- Cat on the wall
- You come through
- It's you
- The end
- The desperate kingdom of love
- Seagulls
- The darker days of me and him
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Mr Oh so
2024-01-18 15:18:48
weird-O
19.12.2004 - 20:22 Uhr
"uh hu her" verstaubt übrigens schon bei mir, leider.
stimmt. aber das macht sie eigentlich schon zu was besonderem. eine der platten, die man irgendwann nochmal rauskramt und direkt bemerkt, wie toll sie doch ist.
Was weird-O vor 20 Jahren bereits wusste, trifft absolut zu. Das Album sollte man nicht verkennen. Tolles Ding.
Randwer
2022-06-14 22:05:51
Geschmäcker sind verschieden.
DerMeister
2022-06-14 22:02:50
Mit "bis jetzt" meine ich natürlich 2004. Nur um das klarzustellen.
K.A.
2022-06-14 22:02:26
Bis zum nächsten mal. Schönen Abend
MopedTobias (Marvin)
2022-06-14 22:00:16
Danke auf jeden Fall an die im Laufe der Session ja noch etwas gewachsene Runde. Nächste Woche schaffe ich es vermutlich leider nicht, aber vielleicht kriegt ihr ja trotzdem genug Leute für "White chalk" zusammen. Sehr spezielles, aber tolles Album.
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