Diana Krall - The girl in the other room
Verve / UniversalVÖ: 13.04.2004
Kralling in the dark
Die Bar eines neumodischen Stahl-Glas-Beton-Hotels. Der Rauch teurer kubanischer Zigarren zieht in die Kegel der spärlichen Halogen-Beleuchtung. Die hübsche Kellnerin bringt einen weiteren Drink, hat aber immer noch keine Zeit zum Plausch. Aus den Lautsprechern, die der Architekt perfekt in der Inneneinrichtung versteckt hat, klingt Musik. So laut, daß man sie hören kann, aber immer noch so leise, daß man nicht die Stimme heben muß, um sich zu unterhalten. "Das ist die neue Diana Krall", erklärt der Mann am Nebentisch ungefragt. Er rückt sein schwarzes Kassengestell zurecht und lächelt wissend. Gerne würde ich jetzt eine Umstrukturierung seiner Feuilletonisten-Fresse vornehmen, aber die Musik hält mich zurück.
Kralls Klavierspiel kommt akzentuiert und leichtfüßig daher, die unterschiedlich besetzte Rhythmusgruppe stärkt den zwölf Songs mit präzisem Spiel den Rücken, und wenn Gitarrist Anthony Wilson mal richtig loslegen darf, wie etwa in "Love me like a man", dann verfliegt die sonst so zurückhaltende Grundstimmung der Platte, und es kommt richtig Leben in die Bude. Zu den Liedern anderer Autoren gehören diesmal unter anderem "Temptation" von Tom Waits, "Black crow" von Joni Mitchell und "Almost blue" von Elvis Costello. "Mit dem ist sie ja jetzt verheiratet", meldet sich der Mann vom Nebentisch wieder zu Wort. "Deshalb hat er ja auch an sechs Stücken auf dem Album mitgeschrieben!" Tatsächlich: Zwar wird Costello nur als Textschreiber erwähnt, aber sein Einfluß ist unüberhörbar - und sei es nur als neue Liebe an Kralls Seite.
Natürlich ist auch "The girl in the other room" wieder eine Platte für Leute, die sich bisher nicht für Jazz interessierten und eigentlich nur von Norah Jones angefixt wurden. Eine Platte, mit der man ein einfaches Abendessen im Freundeskreis in eine Dinnerparty verwandeln kann. Es wäre aber Diana Krall gegenüber ungerecht, ihr dafür die Schuld zu geben. Was die 40jährige Kanadierin auf ihrem achten Album abliefert, hat allemal mehr mit Jazz zu tun als die Musik der bereits erwähnten Jones. Man könnte Diana Krall vorwerfen, sie mache Fahrstuhlmusik oder Gebrauchs-Jazz. Aber es gibt Situationen, in denen ihre Musik einfach bedeutend besser paßt als Freistil-Improvisationen und Acid-Einflüsse.
Die hübsche Kellnerin macht Feierabend. Ich bezahle meine Drinks und stehe auf. Im Herausgehen sehe ich, wie sie den Mann vom Nebentisch küßt. Ich höre Diana Krall noch gerade "I won't miss all the glamour / While my heart is beating and the lilacs bloom" singen, ehe die Tür hinter mir ins Schloß fällt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The girl in the other room
- Love me like a man
- Narrow daylight
- Departure bay
Tracklist
- Stop this world
- The girl in the other room
- Temptation
- Almost blue
- I've changed my address
- Love me like a man
- I'm pulling through
- Black crow
- Narrow daylight
- Abandoned masquerade
- I'm coming through
- Departure bay
Referenzen