Patrick Wolf - Lycanthropy

Tomlab / Indigo
VÖ: 05.04.2004
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Vollmond

Vielleicht ist er der einzig legitime Erbe von Charles Dickens, dieser blonde Ire Patrick Wolf. Hard times, ein leidender Charakter und das Leben ein einziger Schlamassel. Die Patrick-Wolf-Biographie liest sich wie die Passionsgeschichte eines gebeutelten Songwriter-Genies. Geboren in Cork, in jungen Jahren nach London adoptiert, wurde er schon mit elf Lenzen geigend mit einem Orchester durch Europas Großstädte gejagt. Wenige Jahre später brachte er sich selbst die Flötentöne bei und spielte plötzlich selbst die erste Geige. Unser Patrick hatte gehörig die Schnauze voll vom Leben in den heimischen vier Wänden und machte sich buchstäblich vom Acker. Er zog zurück in eine Hütte aufs Land, erlernte das Harfenspiel im Schutz von Pferden, Schafen und großen Hügeln. Doch die Zeiten ändern sich, immer und immer weiter: Heute ist das Victorian Age passé, die menschlichen Leiden jedoch sind geblieben. Dickens hätte seine helle Freude an derlei tragischen Lebenswendungen gehabt.

Wenn man also eine Biographie wie Patrick Wolf vorweisen kann, dann ist es wahrlich kein Wunder, daß man mehr oder minder zum Wolf mutiert. "Lycanthropy" (laut Fremdwörterlexikon: 1. die Wahrnehmung, zu einem Wolf geworden zu sein; 2. die Gestalt oder Eigenschaften eines Wolfs durch Zauber annehmend) beschreibt seine ganz persönliche Verwandlung. Verfolgungswahn, musikalisch testamentiert. Patrick Wolf ist mit einem effenbergblonden Schopf und einem Strahlen wie in der Kinderschokoladewerbung ausgestattet. Da wirkt die viktorianische Geschichtsvariante mit allerlei Tragik und Tristesse noch einmal so widersprüchlich. Er selber zeichnet in seinen Songs diese Dickens-Charaktere. Vom Schaf zum Wolf und zurück.

Musikalisch äußert sich dieses in einer avantgardistischen Mischung aus Folk und Elektro. Auf der einen Seite steht das in frühester Jugend erlernte: Flöte, Ukulele und Akkordeon. Auf der anderen Seite steht der Laptop. Mit diesen Mitteln zaubert er mitunter peitschend-elektronisch untermalte Songs, oder eben sanfte Song-Ruhekissen. Doch alles wäre nichts ohne die bewegenden Worte: Patrick Wolf strotzt vor Poesie: Worte, ausgesprochen dreckig ausgesprochen, ein wenig zornig. Immer geht es subtil um Angst, "Lucifer will never find you."

14 kleine Lycan-Trophäen vereint Patrick Wolf auf seinem Debüt-Album. Bei "Bloodbeat" klickt und klackt alles famos und formidabel in allen vier Ecken des Lautsprechers. "The childcatcher" verstört als absoluter Höhepunkt mit einem wahrlich furchtbaren Text. Die Single "To the lighthouse" macht im Prozessortakt weiter, ehe dann bei "London" wieder das Sensibelchen auftaucht. "Lycanthropy" ist ein seelischer Offenbarungseid mit scharfen Zähnen. Besser nicht füttern.

(Sebastian Peters)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bloodbeat
  • The childcatcher
  • London

Tracklist

  1. Prelude
  2. Wolf song
  3. Bloodbeat
  4. To the lighthouse
  5. Pigeon song
  6. Don't say no
  7. The childcatcher
  8. Demolition
  9. London
  10. Paris
  11. Peter Pan
  12. A boy like me
  13. Lycantrophy
  14. Epilogue
Gesamtspielzeit: 51:31 min

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conorockomusic

2008-11-05 18:06:10

10/10 von meiner seite her

ruebenfischer

2005-09-16 01:09:46

Das ist so ein Song, bei dem ich immer noch regelmäßig eine Gänsehaut bekomme.
Hier:
http://www.playlouder.com/feature/+patrickwolf/
spricht Patrick Wolf über den Mißbrauch. Wer es war ist wohl nicht bekannt, und es geht die Öffentlichkeit eigentlich auch nichts an.

Sidekick

2005-09-15 23:18:29

War es eigentlich jemand aus der Verwandtschaft?

Cana

2005-09-15 23:02:03

Childcatcher ist autobiographisch? Ach du Kacke .. *schluck* :\

Seiltänzer

2005-09-15 22:47:14

Nachdem mich die Wind in the wires mitgerissen hat wie keine andere CD in diesem Jahr, habe ich mir nun endlich auch den Vorgänger gekauft. Obwohl die Cd als gesamtwerk nicht an die wind in the wires herankommt ist mit "The childcatcher" wohl Patrick Wolfs stärkster Song auf dem Album vorhanden. Mit so viel Leidenschaft vorgetragen, unglaublich schjmerzhaft und trotzdem verspielt (v.a. dieser kurze musikalische Stimmungsumschwung ab Minute 2:50, der wunderbar die Sehnsucht nach der verlorenen unschuldigen Kindheit zurückruft). Treibt mir jedes mal beim Hören fast die Tränen in die Augen.

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