Múm - History of silence

Morr / Indigo
VÖ: 19.09.2025
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Acht Arten von Stille

Kunst liegt im Auge des Betrachters. Oder im Ohr des Hörenden. So ziehen die einen in der Galerie kopfschüttelnd an der weißen Leinwand vorüber. Die anderen verharren vor dem nichts rahmenden Bilderrahmen und sinnieren minutenlang darüber, was der verhinderte Maler ihnen mitteilen möchte. Ähnlich verhält es sich beim Hören der Musik von Múm. Wenn nach 17 sphärisch-besinnlichen Minuten gefällige Synthies ein unter "Galileo's frail moon" geführtes Zwiegespräch begleiten, ist die eine Hälfte der Zuhörerschaft bereits weggeschlummert. Die andere Hälfte ist fasziniert vom teils gesprochenen, teils gesungenen, nun ja, philosophischen Diskurs über Raum und Zeit in "Only songbirds have a sweet tooth". Zwölf Jahre nach seinem letzten Studioalbum "Smilewound" meldet sich das isländische Kollektiv zurück. Andere Bands würden dies mit einem musikalischen Knall oder zumindest der Behauptung eines solchen tun, mit wilden Soli, selbstreferenziellen "Wir rocken noch immer!"-Lyrics, Pauken und Trompeten. Múm aber bleiben Múm, schreiben ihre "History of silence" unbeirrt fort. Trompeten haben sie zu diesem Zweck zwar nicht mitgebracht, eine Pauke aber schon. Und massig Streicher.

Das Orchester SinfoniaNord unter der Leitung Ingi Garðar Erlendssons begrüßt einen nebst herrlichem Klavierakkord und flirrender Elektronik in "Miss you dance". Will man die einleitenden fünf Minuten beschreiben, stellt man sich unwillkürlich eine Frage, die man sich als Plattentests.de-Schreibkraft nie stellen sollte: nämlich die nach der Korrektheit der fälschlicherweise Frank Zappa zugeschriebenen Behauptung, über Musik zu schreiben sei, wie über Architektur zu tanzen. Jedenfalls fällt es schwer, in Worte zu kleiden, warum die fernab jeder althergebrachten Songstruktur eingesetzte unorthodoxe Kombination aus Instrumenten im Opener so überzeugt. Und warum das melatoninhaltige Duett nicht komisch wirkt. Ist es die hervorragende Abmischung, die jedem Instrument seinen richtigen Platz zuweist? Ist es der heilige Ernst, mit dem über eine Konversation mit dem Leibhaftigen berichtet wird? Nein, diese beiden Gründe sollten es nicht sein. "History of silence" in seiner Gesamtheit wurde vortrefflich abgemischt, zudem werden auch in sechs der sieben Folgesongs eigenwillige Texte gesäuselt. Doch was im Opener hervorragend funktioniert, scheitert in der Folge zu häufig.

In "Kill the light" klingen Gyða Valtýsdóttir und Sigurlaug Gísladóttir nicht nur prätentiös, sondern auch gefühlt eine Quinte zu hoch. So als sei es ihre Absicht, diejenigen zufriedenzustellen, die ihre Islandklischees (Elfen! Feen! Huh!) bestätigt hören wollen. Insbesondere in der ziellos daherdümpelnden Albummitte liefern Múm Wasser auf die Mühlen aller noch nicht weggedämmerten Spötter, während der abschließende Katzenjammer in "I like to shake" selbst einen Teil der Fans blümerant zurücklassen sollte. Am besten bleiben Múm auch nach zwölf Jahren Pause, wenn sie auf affektierten Gesang und mitunter die Grenze zwischen kindlichem Dadaismus und alberner Infantilität überschreitende Texte verzichten. Oder, wie in "Our love is distorting", ihren Gesang dosiert einsetzen. Synthesizer, Klavier und Streicher gehen eine perfekte Symbiose ein, wiegen äußerst stilvoll in den Schlaf. Nach knapp drei Minuten klopft einen Samuli Kosminen an der Percussion kurz aus der Non-REM-Phase, ehe "A dry heart needs no winding" mit gelungenem Ambient diese wieder einleitet. Múm suchen und finden die Nuancen zwischen verschiedenen Formen der Stille, fügen in der Fortsetzung ihrer "History of silence" den alten Kapiteln aber nichts hinzu, was man von den Freigeistern nicht bereits ähnlich gehört hat. Ein Klimax bleibt auf ihrem bemerkenswert konsequenten und kontemplativen Comeback aus, das grüne Gras am Ende des Tunnels außer Reichweite.

(Dennis Rieger)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Miss you dance
  • Our love is distorting
  • A dry heart needs no winding

Tracklist

  1. Miss you dance
  2. Kill the light
  3. Mild at heart
  4. Avignon
  5. Only songbirds have a sweet tooth
  6. Our love is distorting
  7. A dry heart needs no winding
  8. I like to shake
Gesamtspielzeit: 33:58 min

Im Forum kommentieren

smrr

2025-10-15 20:54:09

Album find ich besser als 5/10, aber kann irgendwie die Wertung auch nachvollziehen. Wenn man aber seit 20 Jahren hier rumhängt und den verhuschten Indie der 00er-Jahre mag, dann gibt's noch 1-2 Punkte mehr. Den Opener find ich bockstark. Manchmal ist die Produktion ("Only Songbirds") aber einfach beschissen. Muss man auch mal konstatieren. Es ist einfach nicht mehr 2005 und lofi irgendwie ne Lösung.

Gerade übrigens auf den Musikexpress-Link geklickt. War seit Jahren nicht mehr auf deren Seite. Ist das echt? Drei Worte aus der Promo abgeschrieben und als eigene Rezension verkauft? Oh man. Ich freue mich sehr, dass ich mal Musikjournalismus erlebt habe.

Armin

2025-10-08 20:28:18- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

MickHead

2025-09-19 09:28:57

Jetzt komplett bei Bandcamp:

https://mumband.bandcamp.com/album/history-of-silence

Musikexpress 5/6

https://www.musikexpress.de/reviews/mum-history-of-silence/

MickHead

2025-09-15 19:15:49

MusikBlog

https://www.musikblog.de/2025/09/mum-history-of-silence/

Lucas mit K

2025-09-07 18:44:53

Fand „Kill The Light“ aufs erste Hören auch seeehr unspannend. Warte mal das gesamte Album ab.

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