Kathryn Williams - Mystery park

One Little Independent / H'art
VÖ: 26.09.2025
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Zartes Pflänzchen

"Größtenteils harmlos" sei die Erde, behauptet der Reiseführer "Per Anhalter durch die Galaxis". Ob das stimmt, ist eine Frage der Perspektive. Aus der Ferne mag unser kleiner, blauer Planet friedlich erscheinen, vielleicht sogar paradiesisch, vor allem, wenn man ihn mit dem Rest der doch eher ungemütlichen Himmelskörper vergleicht. Aus menschlicher Sicht ist das Leben auf dem dritten Planeten von links jedoch alles andere als einfach. Wobei daran natürlich nicht die Erde, sondern der Mensch schuld ist. Insofern wirkt es fast ein bisschen befremdlich, wenn sich ein solcher Mensch dann hinsetzt und schöne Lieder singt. Was ist mit dem Leid, der Verwüstung, dem Falschen, das unser aller Alltag bestimmt? Kann man, darf man all das ausblenden? Die Antwort darauf ist ein eindeutiges "Vielleicht", zumindest wenn man der britischen Liedermacherin Kathryn Williams Glauben schenkt. Seit ungefähr 30 Jahren folgt sie unbeirrt ihrem Weg, mit der Gitarre im Gepäck und zarten Melodien auf den Lippen. Auch ihr neuestes Album "Mystery park" ist wieder vertontes Gruppenkuscheln, Schnuffeldecke inklusive.

Williams weiß genau, welche Musik sie machen will. Ein paar gezupfte Akkorde, ein bisschen Klavier, vielleicht mal ein sachte gestreicheltes Schlagzeug, ganz selten sogar mal ein Synthesizer. Experimente? Dissonanzen? Bitte nicht. Es ist daher nachvollziehbar, wenn man ihr Werk als seicht abtut. Gleichzeitig sind die Songs einfach zu gut, um ignoriert zu werden. Mit großer Lässig- und Selbstverständlichkeit singt Williams Verse über das Leben und Lieben im Großen und Kleinen und sucht dabei ihr Glück in der sanften Melancholie des Alltags. Anders gesagt: Bei Kathryn Williams ist Herbst der Naturzustand. Und so begibt es sich, dass die Lieder auf "Mystery park" vorbeischweben, fast wie von selbst. Es fällt schwer, einzelne Tracks herauszuheben, dazu ist das Album viel zu homogen. Williams verbindet beiläufige Beobachtungen mit nachdenklichen Zwischentönen und bleibt dabei am liebsten im Ungefähren. Paradebeispiel hierfür ist das wunderhübsche "Sea of shadows", in dem sie verträumt über den eigenen Nachwuchs singt.

Natürlich kann man das alles ganz schön bieder finden, vielleicht ist es das auch. Aber Zynismus macht auf Dauer nicht glücklich. "Move me" haucht Williams ihrem Gegenüber zu, während im Hintergrund eine Mundharmonika vom aufkommenden Sturm weggeblasen wird. Alles wirkt ortlos, zeitlos, fast so, als wäre der Song eher zufällig entstanden. Genau in dieser Ungreifbarkeit liegt der große Reiz der Kunst der Engländerin. Liebe ist vielleicht nicht für alle da, aber als Idee unzerstörbar. Sich nicht damit abzufinden, dass das Leben eine Wüste ist, darum geht es. Und wenn es mit den großen Dingen nicht klappt, dann muss eben der Garten als Metapher herhalten. In "Personal paradise" singt Williams über das Glück des Privaten, wobei hier die musikalische Begleitung ungewohnt lebhaft klingt. Sogar ein bisschen Verzerrung grätscht zwischen die Harmonien – und plötzlich eröffnet sich eine zweite Ebene. Das, was oberflächlich so belanglos wirkt, wird von einem Gefühl der Ungewissheit unterwandert. Nichts ist sicher, nicht mal das eigene Blumenbeet.

Ein bisschen erinnert Williams' feine Ironie an Aimee Mann, die ebenfalls eine Meisterin darin ist, Banales mit Existenziellem zu verbinden. Das herrliche "Knew you forever" widmet sich etwa der Vergänglichkeit zwischenmenschlicher Zuneigung, wobei auch hier wieder das Absurde zwischen den Zeilen hervorlugt. Nicht zu träumen ist unmöglich. Und so schaut man den Blättern beim Verwelken zu, Jahr für Jahr, während im Supermarkt die Nikoläuse darauf warten, geköpft zu werden. "Goodbye to summer" verabschiedet die Hitze mit einem wissenden Lächeln. Es wirkt fast so, als wollte Williams den Menschen sagen, dass sie sich verdammt nochmal auf das Wesentliche besinnen sollen. Dass sie einander zuhören, nicht aus Eigensinn, sondern aus aufrichtigem Interesse. Ein bisschen Humanismus hat noch niemandem geschadet. Das zarte Pflänzchen der Gemeinschaft braucht jemanden, der es durch den Winter bringt.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Goodbye to summer
  • Sea of shadows
  • Move me
  • Personal paradise

Tracklist

  1. Thoughts of my own
  2. Goodbye to summer
  3. Gossamer wings
  4. Tender
  5. This mystery
  6. Sea of shadows
  7. Move me
  8. Personal paradise
  9. Knew you forever
  10. Sunsets
  11. Servant of the flame
Gesamtspielzeit: 41:13 min

Im Forum kommentieren

MickHead

2025-11-05 11:52:12

Leider hier kaum beachtet!

Laut.de 4/5

https://laut.de/Kathryn-Williams/Alben/Mystery-Park-126134

Armin

2025-10-01 20:42:16- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

MickHead

2025-09-26 11:24:18

Jetzt komplett bei Bandcamp:

https://kathrynwilliams.bandcamp.com/album/mystery-park

MickHead

2025-06-27 14:42:33

Die britische Singer-Songwriterin und Folk Musikerin "Kathryn Williams" aus Liverpool, kündigt für den 26.09. das 15. Studioalbum "Mystery Park" an. Es folgt auf "Night Drives" von 2022.

The songs on Mystery Park are made in the quiet margins of motherhood and memory, written over time, and recorded in close creative communion with trusted collaborators; Leo Abrahams (guitar, piano, bass, vocals), Neill MacColl (guitar, vocals), Polly Paulusma (guitar, vocals), Chris Vatalaro (drums), Ed Harcourt (piano, mariachi bass, vocals), David Ford (harmonica), and Paul Weller (Hammond organ, vocals).

Erster Song "Personal Paradise"

https://youtu.be/ArGmdK1_cj8?si=0ru4yODIeuWqC5N0

"Mystery Park" bei Bandcamp:

https://kathrynwilliams.bandcamp.com/album/mystery-park

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