Thrice - Horizons/West
Epitaph / IndigoVÖ: 03.10.2025
Go west
Vier Jahre haben Dustin Kensrue und seine Kollegen von Thrice gebraucht, um den Blick von Osten nach Westen zu richten. Erinnert man sich an "Horizons/East", suggeriert der Titel der neuen Platte "Horizons/West" beinahe schon mit dem Holzhammer, hier lausche man einem Doppelwerk der Post-Hardcore-Veteranen. Doch schon der Auftakt mit "Blackout", das sich aus seinem schweren Kokon schält und über Shouts gar zum Punkrock findet, zeigt, dass "Horizons/West" nicht unbedingt von klangtechnischen Kompromissen begleitet wird. Seltsam unaufgeregt im besten Sinne, halbwegs bieder und selbstplagiativ im negativen Sinne, so einst der Tenor zu "Horizons/East". Nicht nachvollziehbar, denn eigentlich haben Thrice auf ihrem Acker doch so viel probiert, haben mit dem Hilti "Vheissu" das Feld gesprengt, mit der "The alchemy index"-Doppel-LP unter anderem zart-emotionale Gewächse gesät, mit dem feinen "Beggars" ihren Sound in eine neue Zeit gepflanzt, sich mit "Palms" anderen Genre-Erden geöffnet.
Was also gibt es zu verlieren? Diesem Ansatz vertrauen die Amerikaner anno 2025 zum Glück wieder ein bisschen mehr. "Gnash" baut seine Riffs auf der tiefsten Ebene, Kensrue growlt und schreit, dezente Elektronik füttert den hintenraus mit Double-Bass-Druck noch schrofferen Track, der an einer Position des Albums überrascht, die bei Thrice in der Regel von einem Konsens-Stück mit fettem Refrain besetzt ist. Doch alle Melodiejünger*innen müssen sich nicht sorgen, denn schon "Albatross" bietet geliebte wie gewohnte Trademarks des Wiedersehens: Rhythmisch aufgelegte Strophenparts, melancholischer Refrain, der für länger bleiben mag. "Holding on" fährt dann überraschend zum Galopp aus, bringt den melodischen Punkrock wieder mit, den man zuletzt so vielleicht auf "The artist in the ambulance" in der Auslage hatte. Auch "Crooked shadows" vermag sich in ähnlicher Art und Weise freizuspielen – so simpel wie effektiv.
"Horizons/West" ist somit eine Platte, die von einigen Stilwechseln geprägt ist. Das mag inkonsistent wirken, scheint aber Teil des Konzepts. Denn inhaltlich geht es Thrice um jene akut wechselnden Stimmungslagen, die wir in den aktuell unsicheren Zeiten erleben und denen wir mehr und mehr durch äußere Faktoren ausgeliefert sind: Kurze Momente der Freude, die wir im Mitmenschlichen erleben, dann wieder Angst vor der Zukunft, vor neuen Technologien, der Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft. "The dark glow" ist eine dieser düsteren und dennoch umarmenden Hymnen, die Kensrue und Co. darbieten können wie kaum eine andere Truppe. Und das zunächst unscheinbare "Undertow" entpuppt sich schnell als absolute Perle des Albums, weil seine Refrain-Melodie mit typischem Thrice-Haken aufwartet und uns Hörer*innen sofort am Haken hat. Episch wird's gegen Ende mit dem feinen "Vesper light", das sich für lange Zeit mit leicht experimenteller Ader um sein Bassriff schlängelt, bis Kensrue zur Hochform aufsingt. Geht doch, Thrice! Die Blickrichtung zu wechseln, scheint nicht die schlechteste Idee, gerade auch im Alltag.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Blackout
- Undertow
- Holding on
- Vesper light
Tracklist
- Blackout
- Gnash
- Albatross
- Undertow
- Holding on
- Dusk
- The dark glow
- Crooked shadows
- Distant suns
- Vesper light
- Unitive/West
Im Forum kommentieren
Yndi
2025-10-20 11:59:03
Mal wieder ein sehr schönes Album mit ein paar richtig guten Songs (Gnash, Holding On, Crooked Shadows, Distant Suns, Vesper Light) und ein paar, die ich direkt wieder vergesse. Wie eigentlich alle Thrice-Alben seit der Rückkehr, das passt alles schon.
sizeofanocean
2025-10-06 19:12:32
Album wird stärker, zumindest die Singles gehen immer besser rein, ansonsten wäre das hier mein idealer Mix aus East und West:
the color of the sky
gnash
scavengers
albatross
northern lights
holding on
summer set fire to the rain
crooked shadows
the dreamer
distant suns
Vivat Virtute
2025-10-06 19:04:35
Wundert mich, dass die da Kensrues Stimme so abfeiern. Die stört mich bei Thrice seit ihrer Rückkehr eher. Klingt oft forciert und angestrengt und steht den Songs auch manchmal im Weg. Sowas wie "Holding on" wäre noch viel besser, würde Kensrue nicht gefühlt zu langsam drübermäandern..
MickHead
2025-10-06 19:02:13
Laut.de 4/5
https://laut.de/Thrice/Alben/Horizons-West-125979
sizeofanocean
2025-10-03 21:33:09
ich liebe die Beggars auch, aber da war der Pathos auch nicht nur Selbstzweck, sondern Teil von viel besserem Songwriting
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