Torpedo - What the fucked do we all do now? - Lights

Broken Clover / Cheap Satanism
VÖ: 19.09.2025
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Friede zwischen Resten

Mit der Kunst ist es so eine Sache. Seitdem sie existiert, fragen sich Menschen, warum das der Fall ist. Wer der erste Künstler war, lässt sich auch mit den fortgeschrittensten wissenschaftlichen Methoden nicht herausfinden. Es ist jedoch anzunehmen, dass diese Person damals ziemlich beliebt gewesen sein muss. Denn wer Kunst kann, darf danebenwerfen, wenn mal wieder der Säbelzahntiger in der Höhle vorbeischaut. Das alles hat mit Frankreich wahrscheinlich nichts zu tun, aber auch das lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten. Fest steht, dass Menschen irgendwann der Meinung waren, dass Frankreich existieren muss. Und so begab es sich, dass im Dickicht des frühen 21. Jahrhunderts Musiker zusammenfanden, um ihr Unverständnis gegenüber allem, was Vernunft mit Raubbau gleichsetzt, in eine musikalische Form zu bringen. Das Ergebnis nennt sich "What the fucked do we all do now? - Lights", die Künstlergruppe hört auf den Namen Torpedo. Namen sind auch so eine menschliche Erfindung, die die Zuordnung von Dingen und Ideen ungemein erleichtert. Schall, Rauch, Feuer, das Spiel ist bekannt.

Das Pulsieren der Zivilisation wird zum Hintergrundgeräusch, das Dröhnen der Maschinen zur Einschlafhilfe. Die Wut gegen die Betonierung des Lebensraums ist für Torpedo Anlass, Krawall zu stiften. Das, was früher mal Punkrock war, ist heute nur noch eine Geste. Wer Tragödien gebären kann, braucht keine Gewerkschaften mehr. Was bleibt, ist ein diffuses Gefühl der Einsamkeit, ein Anschreien gegen das Unvermeidliche. Eine Musik, die ebenso einzig- wie eigenartig ist. Nicht einverstanden zu sein, darum geht es. Wenn der Kampf gegen Windmühlen vom Kampf gegen Windräder ersetzt wird, wenn die Rohre Asche in die Luft pusten, weil sie das Atmen nie gelernt haben, wenn Bedingungen keine Folgen mehr haben, dann bleibt nur die Auflösung. Wer wissen möchte, wie diese klingt, möge sich "ONW" anhören. Ein Song, dessen einzige Richtung der Wahnsinn ist. Krieg der Verhüttung, Friede zwischen Resten.

Damals, in der Höhle, war der Wolf noch jemand von außen. Seitdem wir die Höhle zur Mietskaserne umfunktioniert haben, lebt er auf den Gängen. Im Zwischenraum der Existenzen, als Angst vor dem Nächsten. Das Animalische wird oft mit Urtümlichkeit gleichgesetzt. Seitdem Menschen Bürger sind, üben sie sich in Entfremdung. In permanenter gegenseitiger Beobachtung erfinden sie Mittel und Wege, sich das Leben zur Hölle zu machen. Das, was anders ist, kann nicht gut sein, denn es ist nicht wie wir. Mit "wir" ist meistens "ich" gemeint. Die Annahme, dass Natur mit Kultur endet, führt in den Abgrund. "We all are wolves in the deep forest of eternity / And we are burning" lautet Torpedos Version dieses Gedankens. In "Some wolves" lässt die Band sich völlig gehen, sie zelebriert den Zerfall der Kultur mit einer Besessenheit, die fast ein bisschen ehrfürchtig macht. Dass ein Großteil des Textes in gebrochenem Englisch dargeboten wird, macht das Ganze noch befremdlicher.

Am Ende bleibt nur der Weg in die Verweigerung. Wer nicht mitmacht, fährt wahrscheinlich nie BMW, aber der hat in der engen Großstadt ja sowieso keinen Platz. So wie der Säbelzahntiger, der sich folgerichtig für das sozialverträgliche Frühaussterben entschieden hat. Immerhin ist der Regen nicht mehr sauer auf uns, man muss auch mit kleineren Erfolgen zufrieden sein. Aber was heißt das schon. Immerhin kommt jedes Jahr noch der Frühling, was ihm hoch anzurechnen ist. Aber auch hier ist es nur eine Frage der Zeit, bis er sich in heiße Luft auflöst. Die Konkursmasse besteht aus Lärm. Lärm, der keinen coolen Namen braucht, weshalb ihn Torpedo auch "Noise (Mouvement 1)" betitelt haben. Mit dem Gesicht im Dreck drischt die Band so lange auf ihre Instrumente ein, bis nichts außer einem erstickten Gurgeln übrig bleibt. Vielleicht ist Ersticken auch ein Akt des Widerstands, nun, da Rauchen nicht mehr sexy ist.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Some wolves
  • ONW
  • Noise (Mouvement 1)

Tracklist

  1. Some wolves
  2. Some
  3. Where
  4. ONW
  5. NOW
  6. Sugar love
  7. Noise (Mouvement 1)
Gesamtspielzeit: 32:00 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2025-10-07 19:29:10

Haha was für ne Rezension.

Kontermutter

2025-10-07 13:07:44

Das ist so einer der Fälle, wo ich die Rezi das Gefühl des Albums um Längen besser transportiert als das Album selbst. Ich mag diesen aktiv-aggressiven Touch. :D

Hierkannmanparken

2025-10-05 13:25:44

Ich mach mal so:

https://torpedo-cyclope.bandcamp.com/album/what-the-fucked-do-we-all-do-now-lights

Auf Tidal hab ich das Album zumindest nicht gefunden. Wirkt alles sehr obskur (einschließlich der Rezi :D), werde ich mir nochmal genauer anhören müssen.

Armin

2025-10-01 20:41:49- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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