Mirador - Mirador
Republic / UniversalVÖ: 19.09.2025
Ein Versprechen von Freiheit
Die Geschichte von Mirador beginnt mit einer waschechten Männerfreundschaft: Die erst 2024 aus der Taufe gehobene Band besteht aus Jake Kiszka, Gitarrist der Classic-Rock-Erben Greta Van Fleet, und Chris Turpin, der männlichen Hälfte des Brit-Blues-Duos Ida Mae. Die beiden Vollblutmusiker haben sich auf gemeinsamer Tour kennen und schätzen gelernt sowie beschlossen, den letzten Fitzel Rockstar-Attitüde, den Greta Van Fleet noch nicht vereinnahmt haben, durch ein leidenschaftliches Nebenprojekt für sich zu beanspruchen. Zusammen mit Londoner Session-Musikern gehen sie als Mirador voller Inbrunst in die Vollen und fahren gleich richtig schwere Geschütze auf. Der Heavy-Rock von "Feels like gold" erinnert dabei zunächst noch eher an übergroße Chris-Cornell-Gesten denn an Robert Plant, was in erster Linie an Turpins Vocals liegt, der mit seinem hellen Organ klar das Geschehen dominiert und sich auch nicht davor scheut, gar halsbrecherische Höhen zu erklimmen. Im weiteren Verlauf spielt sich das Quartett dann jedoch, wer hätte das gedacht, einmal zu Led Zeppelin und zurück, quer durch Blues und Hardrock – und in die Herzen aller zuhörenden Altrocker*innen.
Mirador sind nämlich vor allem eine Liebhaber-Band für Menschen, die mit neumodischem Kram eher wenig anfangen können – und selbstredend für (Hobby-)Gitarrist*innen, die hier voll auf ihre Kosten kommen. Dieser Service ist hauptsächlich das Metier Kiszkas: Nicht nur das trocken groovende "Roving blade", sondern auch die Dylan-artige Folk-Einlage "Ten thousands more to ride" garniert der US-Amerikaner am Ende mit verzerrtestem Gegniedel, als hätte er noch niemals Hornhaut an den Fingern verspürt. Ein solch gnadenloses Muckertum hat das zerbrechliche "Must I go bound" im Gegenzug gar nicht nötig und könnte in seiner Reduziertheit auch von Turpins oft akustisch auftretender Hauptband Ida Mae stammen. Herzzerreißende Liebeslieder sind hier wie dort das erklärte Ziel – und ohnehin die Essenz des Rock'n'Roll, ob nun in heroischer Breite oder den leisen Momenten, zum Beispiel wenn Mirador unterwürfig schmachtend den "Dream seller" anflehen, zumindest für eine Nacht die Hand einer holden Dame halten zu dürfen.
Flotter geht es in "Heels of the hunt" und "Ashes to earth" zur Sache, ihres Zeichens kantige (Riff-)Rocker voller Esprit, auch wenn Letzterer seinen entschleunigten Chorus geschickt zum Verschieben der Grundstimmung einsetzt. Den gleichen Trick verfeinern Kiszka und Turpin in "Raider" noch weiter, wenn sie gewagte Tempowechsel einbauen, die das Stück von straightem Blues-Rock in puren Exzess verwandeln. "Skyway drifter" galoppiert später fünf Minuten lang horizontal durchs Plattenregal: "Stairway to heaven"-Gedächtnisintro, epischer Refrain, lässig hingerockte Bridge, endloses Solo, güldenes Glockengeläut zum Schluss. Uff! Mirador tragen ungemein dick auf und meinen das bierernst, ihr selbstbetiteltes Debüt kennt keine falsche Bescheidenheit, sondern lässt Kitsch und Pathos weitestgehend freien Lauf. Aber schlussendlich liegt doch gerade in derartiger Unbändigkeit das große Rock'n'Roll-Versprechen von Freiheit: "Na na na, come and set me free!" Dann kann auch bisweilen käsiger Retro-Rock erfrischend ehrlich sein – und die Megalomanie von Greta Van Fleet bleibt sowieso unerreicht.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Raider
- Must I go bound
- Ashes to earth
Tracklist
- Feels like gold
- Roving blade
- Raider
- Must I go bound
- Fortune's fate
- Blood and custard
- Dream seller
- Ten thousands more to ride
- Ashes to earth
- Heels of the hunt
- Skyway drifter
- Hymnal I
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Armin
2025-10-01 20:40:29- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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