Patrick Watson - Uh oh

Secret City / Cargo
VÖ: 26.09.2025

Wenn die Stimme versagt

Ein Lautsprecher war Patrick Watson noch nie. Man kann sich diesen Kanadier mühelos als höflichen Menschen vorstellen, der ab und an irgendwo auftaucht, seine Musik zum Besten gibt und nach schüchterner Entgegennahme des Applauses weiterzieht. Nachzuhören ist die erlesene Qualität dieses Singer-Songwriters auf seinen vielen Alben, zuletzt legte er 2022 das ausgesprochen kurze und doch überzeugende "Better in the shade" vor. "Wie Porzellan" war die Besprechung bei Plattentests.de überschrieben. Zerbrechlich können indes nicht nur Geschirr oder Musikstücke sein, sondern ganze Karrieren. Und so kam Patrick Watson im Verlauf des Jahres 2023 an einen Punkt, an dem das Konstrukt seiner Laufbahn höchst gefährdet erschien: Er verlor seine Stimme und konnte weder sprechen noch singen. Eine mindestens missliche Lage, aus deren Not er nach kurzer Panik eine kreative Tugend machte. Sollen doch andere seine Songs intonieren! Derart pragmatisch ans Werk gehend, entstand die Idee für "Uh oh".

"Silencio" ist passenderweise das Auftaktstück betitelt. In diesem wundervollen Song übernimmt zunächst einmal die französische Singer-Songwriterin November Ultra den Part am Mikrofon, bevor schnell deutlich wird: Es kam dann doch alles ein wenig anders als gedacht auf diesem Album. Watson selbst stimmt mit ein, erst hintergründig, dann ganz offensiv: " I lost my voice cause I talked too loud / Like an old friend that ain't hanging around / And in this quiet well I do my best." Die Stimme, sie kam wieder. Ein Glück! Experimenteller geht es im folgenden "Peter and the wolf" zu, in dem elektronische Spielereien für erfrischende Impulse sorgen. Für "The wandering" unternimmt der Kanadier einen musikalischen Spaziergang mit Maro, stimmt dabei einen Bossa Nova an und schwelgt an der Seite der Künstlerin aus Lissabon, die Portugal beim Eurovision Song Contest 2022 vertrat.

"Choir in the wires" sendet dann Grüße an Beirut und kommt genau wie "Peter and the wolf" ohne Gastsängerin aus. Danach geht es aber konsequent mit Unterstützung weiter. Dabei sind die Mitstreiterinnen keinesfalls alle besonders namhaft: Das Titelstück beispielsweise begleitet Charlotte Oleena, die Watson kennenlernte, als sie in einem Lokal hinter der Theke arbeitete. Deutlich verspielter geht es im feinen "Ami imaginaire" zu, das er gemeinsam mit Klô Pelgag intoniert, die ebenfalls aus Quebec kommt. Später gibt es dann aber doch noch einen großen Namen: Im versiert komponierten "House on fire" sitzt keine Geringere als Martha Wainwright an der Seite Watsons. Abgeschlossen wird das trotz der vielen unterschiedlichen Einflüsse in sich stimmige Werk von einem französischen Titel: Das chansonartige "Ça va" trägt er gemeinsam mit Solann in einer Sprache vor, in der Watson den bislang größten Erfolg seiner Karriere gefeiert hat. Zur Erinnerung: Sein französischer Song "Je te laisserai des mots" hat bei Spotify über eine Milliarde Aufrufe. Eine bemerkenswerte Zahl für diesen leisen Menschen, der seine Stimme immer passend und niemals zu laut erhebt. Und sie glücklicherweise rasch wiederfand.

(Torben Rosenbohm)

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