Swiss & Die Andern - Punk ist tot
Missglückte Welt / WarnerVÖ: 05.09.2025
Gute Laune im schwarzen Block
Stellt man sich eine Playlist mit klarer linkspolitischer Kante zusammen, tummeln sich dort Rapper wie Waving The Guns oder Disarstar und Gitarrenbands wie Pascow oder Wizo. Genau zwischen diesen beiden musikalischen Welten haben sich Swiss & Die Andern eingenistet. Frontmann und Namensgeber Swiss war ursprünglich als Solo-Rapper unterwegs, bis er 2014 vier Mitstreiter an Saiteninstrumenten, Schlagzeug und DJ-Pult um sich scharrte. "Punk ist tot" ist der Nachfolger des 2023 erschienenen "Erstmal zu Penny" und bereits das siebte Studioalbum der Formation aus Hamburg.
Der ausgelutschte Albumtitel trägt nicht den Punk zu Grabe, vielmehr verstehen sich Swiss & Die Andern als seine Bewahrer. Dabei setzen Sie vor allem auf Gepöbel, Provokation und gute Unterhaltung. Inhaltlich überschaubare Gassenhauer wie "Beschissene Party" oder "Die Wilden" zielen auf die Moshpits des Landes und bieten kurzweiligen Spaß. "Bock auf Stress" sagt Bonzen und Nazis den Kampf an, "Haifisch" nimmt Selbstoptimierer und Karrieristen aufs Korn. Beide Tracks wecken Erinnerungen an die frühen Limp Bizkit oder gar an Such A Surge, die Urväter des deutschsprachigen Crossover. Bei "Auf der Flucht" entdecken die Hansestädter ihre inneren Foo Fighters und liefern soliden Alternative-Rock ab. Bei "Tetris" verwursten sie die berühmte Melodie des gleichnamigen Spieleklassikers für den Refrain. Eine ebenso simple wie geniale Idee.
Aus der eigenen politischen Szene schlägt Swiss & Die Andern Skepsis entgegen. Den fünf Musikern scheint das ebenso bewusst, wie egal zu sein, wie der Titeltrack beweist: "Wir sind viel zu links für die CDU / Doch für manche Linke sind wir noch nicht links genug / Wir wollen keinen Nazi-Staat und auch kein Kalifat." Auf dem gleichen Song rufen sie dazu auf, auf die Kohle zu scheißen und das Kapital zu verbrennen. Solche antikapitalistischen Ansagen kollidieren eindrucksvoll mit dem Webshop der Hanseaten. Hier kann der geneigte Fan sein Geld für Trainingsanzüge, rosafarbene Klamotten für den Nachwuchs und Adventskalender verbrennen. Generell müssen Fans der Band Widersprüche aushalten. Der Frontmann selbst schwankt zwischen seinen Inszenierungen. Mal gibt der 42-Jährige den harten Hund, der brandschatzend im schwarzen Block durch Hamburgs Straßen zieht, mal den leicht verpeilten, arbeitsscheuen Gute-Laune-Punk. So versiert Swiss im Verfassen von knalligen Codes, Parolen und hymnischen Refrains ist, so schwer fallen ihm ernstere Töne. Die schwermütigen Beschreibungen seines vermeintlich düsteren Großstadtlebens beim Track "Sehnsucht" wirken unbeholfen. "Ficken bis der Frieden kommt" ist ein peinliches Liebes- und Antikriegslied, "Jung + frei" leider bloß nostalgisch-schwülstiger Liedermacher-Pop.
Mit "Die Wolken wohnen im Himmel" widmet Swiss den letzten Song auf "Punk ist tot" seinem verstorbenen Vater. 2024 unterstützte er bereits den Gitarristen von Subway To Sally, Ingo Hampf, bei einem Song für dessen verstorbenen Sohn. Swiss bewies sich hier einmal mehr als Netzwerker, über Genregrenzen hinweg. Im gemeinsamen Laber-Podcast mit Lord-Of-The-Lost-Röhre Erik Harms konstatierte er im Juli angesichts des neuen Albums, dass er "einfach immer noch besser" wird. So viel Selbstbewusstsein passt zwar nicht zu Songs wie "Loser baby", bei dem der Sänger mit der eigenen Erfolglosigkeit kokettiert. Aber auch dies ist nur ein weiterer Widerspruch im Kosmos von Swiss & Die Andern.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Punk ist tot
- Tetris
Tracklist
- Bock auf Stress
- Punk ist tot
- Nett werden
- Tetris
- Heute dann nie wieder
- Die Wilden
- Sehnsucht
- Jung + frei
- Ficken bis der Frieden kommt
- Haifisch
- Beschissene Party
- Loser baby
- Auf der Flucht
- Die Wolken wohnen im Himmel
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Spriteule
2025-09-09 08:37:06
Refrain von "Punk ist tot" = Sarà perché ti amo
Muss man auch erstmal drauf kommen.
Armin
2025-09-08 21:17:05- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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