Modern Life Is War - Life on the moon
Deathwish / IodineVÖ: 05.09.2025
Weiter, immer weiter
Modern Life Is War sind nicht tot. Das nur vorweg, falls jemand die 7-Inch-Trilogie "Tribulation work songs" verpasst haben sollte. Tatsache ist jedoch, dass seit dem letzten Longplayer zwölf lange Jahre ins Land gezogen sind. Mit "Life on the moon" versucht die Band aus Marshalltown, Iowa nun gar nicht erst, eins zu eins an "Fever hunting" anzuknüpfen. Noch weniger an den dunklen Krachbrocken "Witness". Und schon gar nicht an "My love, my way", das rohe und ungefilterte Debüt aus dem Jahr 2003. Klar, weil wütende Songs über Teenage Angst und jugendliche Rebellion bei fortgeschrittenem Alter halt irgendwann unglaubwürdig werden. Clever war die Truppe um Sänger Jeffrey Eaton freilich schon in ihren Anfangstagen. Anders als der Name der Band suggerieren mag (und anders als viele ihrer dumpferen Zeitgenossen im Hardcore), haben Modern Life Is War den Konkurrenz- und Überlebenskampf unter der fröhlichen Sonne des Spätkapitalismus ja nie zum heroischen Daseinszweck erhoben. Da war zwar immer ganz viel Wut, Schmerz und Verzweiflung. Aber da glühte eben auch die utopische Hoffnung, irgendwie aus der Scheiße rauszukommen.
"I'm rising from the depths of my own hell / I don't need another tragic tale", heißt es etwa im Song "By the sea" (von "My love, my way"). "Was mich nicht umbringt, macht mich stärker" (Nietzsche zitiert nach "Conan der Barbar"), das waren andere. Sind Modern Life Is War also Überlebenskünstler wider Willen, ebenso anzurechnen ist der Band um Sänger Jeffrey Eaton, dass sie dieser Tage an ein Reenactment vergangener Großtaten keinen Gedanken verschwendet. Lassen sich die "Tribulation work songs" im Rückblick durchaus als eine große Suchbewegung verstehen, hin zu neuen Ufern, so nimmt diese auf "Life on the moon" nun deutlicher Gestalt an. Der Unterschied zu früher beginnt schon bei der Produktion, die merkwürdig verwaschen klingt, weniger krachend, weniger brachial. Im Songwriting setzen sich die Old-School-Reminiszenzen fort, vernehmbar etwa in einem Song wie "Bloodsport", der sich sowohl mit seiner Gitarrenarbeit als auch in puncto Haltung – "There's no such thing as a racist friend" – ein Beispiel an Dead Kennedys nimmt, sich dann jedoch in immer dunkler werdenden Dub-Wolken auflöst. Die schließlich noch im Donnergrollen vergehen. Uff. Wobei "Kid hard dub" und "Over the road" bei weitem nicht die ersten Überraschungen bereithalten.
Nachdem "Invocation" mit elektronischen Beats, flirrenden Streichern und Frauengesang schon früh klar macht, das Hardcore-Purismus hier eher nicht zu erwarten ist, kreist "First song on the moon" noch in relativ bekannten und zu erwartenden Umlaufbahnen, nimmt schnell Tempo auf, streut aber zwischendrin auch schon mal eine Kinderchor-Passage ein. "There is a telephone that never stops ringing" peitscht ebenfalls nach vorn, lässt die ohnehin nicht vorhandene Harmonie aber zusätzlich von schiefen Saxofonklängen durchkreuzen. Sicher ist sicher. Von allen Ansprüchen frei macht sich dann "Empty shoes", ein klaustrophobischer Ambient-Industrial-Track. Zeit, das sacken zu lassen, bleibt aber nicht. "Jackie oh no" ist kaputter Blues, der zum bedrückenden Klagegesang ansetzt. Erst kurz vor Schluss findet Jeffrey Eaton zu Kräften und schreit sich die Seele aus dem Leib. Und so geht's im Zick-Zack-Kurs weiter, der Erwartung immer wieder ein Schnippchen schlagend. Auf das schwer dahinwalzende "Homecoming queen" folgt mit "You look like the morning sun" ein gerade mal vierzigsekündiges Crescendo. Aus und vorbei.
Die Getriebenheit, die diese Band immer schon ausgemacht hat, sie äußert sich heuer vor allem darin, nicht in Routinen zu verfallen. Nicht das zu tun, was alle erwarten. Und vielleicht auch: was alle wollen. Dabei gelingt ein nicht gerade kleines Kunststück: Modern Life Is War klingen immer noch nach Modern Life Is War und zugleich ganz anders, als man es gewohnt ist. Neben den größeren Überraschungen sind es auch die kleinen Störmomente und Einfälle, die bei Laune halten. Dass ein neuer Longplayer nach so langer Zeit des Wartens kein unüberlegter Schnellschuss würde, war abzusehen. Entstanden sind die 13 Songs über mehrere Jahre hinweg und in enger Zusammenarbeit mit dem Folk- und Americana-Musiker Brooks Strause, einem guten Freund der Band. Das Ergebnis ist ambitioniert, keine Frage. Ob es ähnlich einschlägt wie seinerzeit die ersten beiden Alben "My love, my way" und "Witness", darf allerdings bezweifelt werden. Und ebenso, dass all die alteingesessenen Fans den neuen Kurs einfach so mitgehen. Modern Life Is War dürfte das wiederum ziemlich egal sein. Nur nicht stehenbleiben.
Highlights & Tracklist
Highlights
- There is a telephone that never stops ringing
- Jackie oh no
- You look like the morning sun
- Bloodsport
Tracklist
- Invocation
- First song on the moon
- There is a telephone that never stops ringing
- Empty shoes
- Jackie oh no
- Johnny gone
- Homecoming queen
- You look like the morning sun
- In the shadow of ingredion
- Bloodsport
- Kid hard dub
- Over the road
- Talismanic
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Vivat Virtute
2025-09-27 20:27:49
Bin dann doch geneigt, sizeofanocean zum Teil Recht zu geben.
Album irgendwie mittel, paar sehr gute Songs, Sound auf Dauer tatsächlich lästig, steht manchen Songs auch einfach im Weg.
Schade.
Dumbsick
2025-09-07 14:13:54
holt mich leider gar nicht ab. einzig homecoming queen gefällt mir richtig gut.
hört sich an, wie der Nachfolger von Midnight in America, ihr schwächstes werk in meinen Ohren
headup
2025-09-07 13:27:05
Ich finde das Album total gelungen. Nicht mehr nur auf die 12, wie die ersten beiden Alben aber gerade die atmosphärischen Sachen finde ich sehr spannend.
Koller
2025-09-05 17:50:16
Ich finde die Scheibe nach dem ersten Durchhören gar nicht so übel. Sogar das Saxophon bei Bloodsport tangiert mich nicht.
sizeofanocean
2025-09-01 21:56:32
bestätigt mich darin, dass ich mich mit der Platte nicht weiter beschäftigen muss
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