Hotline TNT - Raspberry moon

Third Man / Membran
VÖ: 20.06.2025

Den Blick heben

Hotline TNT als Band zu bezeichnen, war bislang latent irreführend. Will Anderson, Eingeweihten noch als Kopf hinter den Slackern von Weed aus Vancouver bekannt, ist so etwas wie ein Tausendsassa der DIY-Szene. Deren Credo nimmt er so ernst, dass er auf den ersten beiden Alben unter dem Moniker Hotline TNT gleich alle Instrumente einspielte, das Songwriting floss selbstredend ebenfalls aus seiner Feder. Bandkollegen kamen erst auf der Bühne dazu, um dem voluminösen Sound zwischen Shoegaze und Power-Pop die nötige Kraft zu verpassen. Nach der jüngsten Tour seien sie dem verblüfften Anderson dann einfach ins Studio gefolgt, obwohl der vorhatte, sich bloß einen Produzenten zu suchen – in Amos Pitsch hat er ihn gefunden – und ansonsten weiterhin eigenhändig zu tüfteln. Im freundlich-eingängigen "Letter to heaven" singt Anderson nun: "In your loft / Closed off / It must be awful / To carry that cross." Liest man die Zeilen leitmotivisch, könnten sie auch einfach bedeuten: Manchmal muss man die Leute zu ihrem Glück zwingen.

Um es klar zu sagen: "Raspberry moon" ist keineswegs das Dokument einer vollumfänglichen Reinkarnation geworden und die Veränderungen im Sound der Band geben sich zunächst nur punktuell zu erkennen. Schon in den ersten Sekunden fahren Hotline TNT ihre bekannten Stärken auf, begrüßen mit lächelndem Feedback, Fuzz-Euphorie und Tremolo-Wirbeln in der Tradition eines Kevin Shields, wenngleich deutlich geerdeter und schmissiger. Nach eineinhalb Minuten poltert im Opener "Was I wrong?" das Schlagzeug los, Gesangsharmonien gesellen sich zu Andersons Stimme, die weiterhin klingt, als entspringe sie dem warmen Zentrum sämtlichen Lo-Fi-Gitarrenpops und als hätte sie vor allem an drei Dingen Spaß: Hooks, Hooks, Hooks. Der starke Einstieg leitet über in die psychedelisch verspulten Synthies des instrumentalen "Transition lens", bevor "The scene" mit erstaunlich groovigem, beinahe muskulösem Riff das Tempo wieder aufnimmt. Spätestens in der Debütsingle "Julia's war" artikuliert sich dann aber doch so etwas wie eine Neuausrichtung.

Selten habe er eine so glückliche Phase durchlebt wie aktuell, gibt Anderson zu Protokoll: Die schwer verliebten "If time flies" und "Candle" ("I wanna try / Get butterflies") treten in der zweiten Albumhälfte als seine Zeugen auf. Hier zeigt sich ein gewisser Unterschied zum Vorgänger "Cartwheel", dessen Catchiness doch den Herzschmerz nie so ganz überwinden wollte. "Julia's war" nun führt den Shoegaze aus der Kontemplation und Introspektive vollends ins Sonnenlicht und scheut auch nicht vor schamlosen "Na-na-na"-Chören zurück. Unsere Stimmen sollen gehört werden, scheinen sie zu sagen – näher waren jene, die sonst auf die Pedale starren, wohl nie an der Mitsinghymne. In der Folge schleusen sich klare Melodien unter zuweilen allzu vertrautem Verzerrer-Brummen und -Fiepen in die Gehörgänge, doch gelegentlich lassen Hotline TNT als zwanghaft empfundene Genre-Codes hinter sich. "Break right" gibt die Klangflächen beinahe vollständig auf, wenn sich Klaviersprengsel und Akustikmomente zu einem vertrackten Indie-Pop-Stück addieren. Und "Lawnmower" entfesselt die Akustikgitarren dann endgültig, zu federleicht synkopierten Drums dürfen sie flirren, konterkariert von Andersons sommermüdem Gesang. Ob mit oder ohne Effektgerät: Warum nicht einfach mal den Blick heben, um den Pop-Hit der Saison zu schreiben?

(Viktor Fritzenkötter)

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