Sabrina Claudio - Fall in love with her

SC Entertainment / Empire
VÖ: 06.06.2025

Neue Ufer

Wer bei Google nach einer Sängerin sucht, die mit Sabrina C. anfängt, landet wahrscheinlich bei einer ganz anderen. Das ist irgendwie bezeichnend für die musikalische Karriere von Sabrina Claudio, die nun mit "Fall in love with her" ihr bereits fünftes Album veröffentlicht – und damit erneut stark abliefert. Gleichzeitig markiert es eine Art stilistischen Bruch: Keines ihrer bisherigen Werke war so weit entfernt von ihrem markanten, unterschwelligen R&B-Groove wie dieses. Stattdessen bietet die Platte überraschend viele Gitarren und sogar Shoegaze-Ansätze; manchmal nimmt der instrumentale Anteil kurz Überhand, nur um sich im nächsten Moment drastisch zu reduzieren. Gut so, denn dadurch entsteht Raum für Claudios einzigartige Stimme – jene Stimme, mit der sie einst auf SoundCloud bekannt wurde und inzwischen zu einem der interessantesten Namen im modernen Soul geworden ist. Sie selbst widmet das Album – beim Titel wenig überraschend – der Selbstliebe und beschreibt es als eine Reflexion ihres Wachstums, bei dem sie ihr altes Selbst loslässt, um sehnsuchtsvoll in etwas Neues aufzubrechen.

"Sail" fasst diese Stimmung wundervoll zusammen – nicht nur als bester Track dieses Albums, sondern gut und gerne in der Top 5 ihrer gesamten Diskografie. Ein atmosphärischer Liebessong irgendwo zwischen softem Indie-Rock und Soul à la Jhené Aiko oder SZA, im Kern aber unverwechselbar Claudio. Mit Bildern von Ebbe, Flut, Wasser und Blautönen beweist sie einmal mehr, wie gekonnt sie als Songwriterin Bildsprache einsetzt. Das haben übrigens auch größere Namen erkannt – wie Beyoncé oder The Chainsmokers, für oder mit denen sie bereits geschrieben hat. Gern auch mal auf Spanisch, wie in der sanft Reggaeton-angehauchten Ballade "Mi luz", die als weiterer Höhepunkt der Platte hervorsticht.

Insgesamt dominieren dieses Mal eher die Stücke mit Gitarren-Spuren und eingespielten Drums, deren Kulminationspunkt der Closer "Memory foam" darstellt. Hier wird erneut mit persönlicher Weiterentwicklung und dem Überwinden vergangener Rückschläge gespielt – wieder charmant umschrieben: "My heart is like memory foam / No matter the weight, it always goes back to form / 'Cause even though I lost the first to video games / The second kissed me now and then / The third, he only told me things / That made me feel I meant nothing / Oh, I will try again now." Manche dieser durchweg emotionalen und liebevoll produzierten Songs erinnern an frühere Highlights der 28-Jährigen, klingen dabei aber wie eine Art Fortsetzung. Niemand nimmt vorlaute Loverboys so elegant und melodisch auseinander wie Sabrina Claudio – siehe "Problem with you" oder "Basic needs" in der Vergangenheit. Auf dieser Platte übernimmt dies das eindrucksvolle, leicht jazzige "Worse than me", das tief ins heteromännliche Fleisch schneidet.

Noch langsamer und stärker vom Jazz beeinflusst klingt "One word", während die Singles "Need u to need me" und "Before it's too late" wieder an den roten Faden der Platte anknüpfen: romantische Indie-Elemente, zerreißende Zeilen über Nähe und Distanz, zärtlich-verträumter Gesang. Gerade durch diese ruhige Grundstimmung fällt jede Tempoaufnahme sofort auf und bringt Bewegung in die sinnlich-nachdenkliche Atmosphäre – etwa "Discouraged", ein Stück über Heilung und Vergebung, das bewusst mit eigenen Konventionen bricht. Doch all diese neuen Elemente – vor allem im Sound – nehmen Claudio nichts von ihrem einzigartigen Touch, der auch diesmal ein im Prinzip makelloses Gesamtwerk entstehen lässt. Wer die kubanisch-puertorikanische Indie-Souldiva aus Fort Lauderdale bislang verpasst hat, muss nicht zwangsläufig mit den Klassikern "Based on a feeling", "Truth is" oder "About time" anfangen. Denn auch dieses Album, das eine ganz eigene Welt eröffnet, lässt sich ab sofort problemlos in einem Atemzug mit ihnen nennen.

(Maximilian Baran)