Kali Uchis - Sincerely,

Capitol / Universal
VÖ: 09.05.2025
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Alles ist leicht

Es ist nahezu absurd passend, dass ein Track auf einem Kali-Uchis-Album "Silk lingerie" heißt. Für geschmackvollen und vielseitig ausgestalteten Schlafzimmer-Soul und -R'n'B gibt es seit "Isolation" keine bessere Anlaufstelle als die Musik der kolumbianisch-amerikanischen Künstlerin. In besagtem Song samtet sie sich wieder durch zitternde Drumcomputer, während ihre Gedanken um die Motive einer geliebten Person kreisen: "How did you fall for someone complicated and flawed as me?" Das mit psychedelischer Schlagseite daherkommende "Fall apart" greift die Zweifel kurz danach auf: "Do you love me even when I get difficult?" Dabei ist an "Sincerely," überhaupt nichts schwierig oder kompliziert. Im Gegensatz zum Vorgänger, dem sich auf Spanisch durch verschiedene lateinamerikanische Stile groovenden "Orquídeas", setzt Uchis' fünftes Studioalbum auf luxuriös-getragenen Liebestaumel – ein bisschen wie Lana Del Reys "Honeymoon", wenn es mit Rosa- und Lila- statt Sepiatönen durchzogen wäre.

So eröffnet ein opulenter Streicher-Schwung den Auftakt "Heaven is a home ...", der als wundervolle Oldschool-Soul-Ballade einen Kokon gegen das Unheil von draußen spinnt: "Stay away from my baby, stay away from my home / That's all I ask of the world, that's all I ask of you." Uchis ist vor Kurzem Mutter geworden, was sich vor allem an Anfang und Ende des Albums widerspiegelt. "My baby made me realize that nothing else even matters", singt sie im besonders detailliert instrumentierten Closer "ILYSMIH" (steht für: "I love you so much it hurts"), der – na klar – mit einer Aufnahme ihres kleinen Sohnes endet. Auch "Sugar! Honey! Love!" ist eine einzige Familienglück-Ode, angemessen begleitet von erneut dramatischen Streichern und verhallten Gitarren. Den von letzteren erzeugten dezenten Dreampop-Vibe formuliert das fast sechsminütige "Lose my cool" weiter aus, wenn es sich in der zweiten Hälfte in eine Achtziger-Schmacht-Hypnose in Zeitlupe verwandelt.

Die Themen von "Sincerely," sind allerdings nicht immer rosarot. "It's just us" kommt mit markantem Bass und erneut aufgeregter Gitarre nicht nur einem Uptempo-Song am nächsten, es erzählt auch von der Zeit, in der Uchis als Teenagerin zu Hause rausgeschmissen wurde – auch wenn der "Wir gegen den Rest der Welt"-Refrain das Happy End schnell nachliefert: "Heaven on Earth may fade away / But you and I are forever to stay in love." Für ebenjene Welt hat das späte Highlight "Sunshine & rain ..." wiederum nur Unverständnis übrig: "Whatever happened to the human race / Did everyone's brains get melted and deranged?" Musikalisch lässt sich die Platte von solchen textlichen Downern nichts anmerken, bleibt stets tröstlich und ohrenschmeichelnd. Da sollte man sich auch nicht von "Breeze!" oder "Daggers!" irritieren lassen, die trotz Ausrufezeichen im Titel alles andere als laut nach Aufmerksamkeit buhlen.

Dieser Ansatz geht nachvollziehbarerweise mit einer gewissen Gleichförmigkeit einher, was freilich nicht als Kritik zu werten ist. Zumal der Teufel wie so oft im Detail steckt: "For: You" kleidet sich mit Synths und sattem Beat als stilvoller Elektropop an, während "Territorial" mit ominösen Piano-Tönen und Orchester-Gesten nicht zum ersten Mal nahelegt, dass Uchis als Bond-Song-Interpretin nicht die schlechteste Wahl wäre – "I'll be the villain in your story", heißt es hier auch passend. An anderer Stelle klingt "All I can say" so unverwechselbar nach Sixties-Girlgroup, dass die 30-Jährige eigentlich eine Zeitmaschine im Keller stehen haben müsste. Im Gesamten ist "Sincerely," Uchis' verstorbener Mutter gewidmet, die womöglich mit den "Angels all around me ..." gemeint ist – und sicher auch darauf stolz wäre, wie sich der gleichnamige Track von einer vergleichsweise aufgewühlt betrommelten ersten Hälfte zur puren Wohlklangsmeditation entwickelt. Die spirituelle Liebe bekommt bei Kali Uchis eben immer mindestens genauso viel Raum wie die sinnliche.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Heaven is a home ...
  • Sugar! Honey! Love!
  • Sunshine & rain ...
  • ILYSMIH

Tracklist

  1. Heaven is a home ...
  2. Sugar! Honey! Love!
  3. Lose my cool
  4. It's just us
  5. For: You
  6. Silk lingerie
  7. Territorial
  8. Fall apart
  9. All I can say
  10. Daggers!
  11. Angels all around me ...
  12. Breeze!
  13. Sunshine & rain ...
  14. ILYSMIH
Gesamtspielzeit: 50:51 min

Im Forum kommentieren

MickHead

2025-09-11 18:58:08

Die Deluxe Edition "Sincerely: P.S." folgt am 26.09.

Erster Song "Cry About It! (Feat. Ravyn Lenae)"

https://youtu.be/RE09AIMKRmo?si=t-9wPS0t4Hb2N2XC

Unangemeldeter

2025-06-05 18:55:23

Wieder sehr schöne Musik, der Opener ist fantastisch. Teils ist mir das ein wenig zu ungebrochen, gerade der lupenreine 60s-Pop von All I Can Say, so ganz erschließt sich mir nicht warum man etwas derart Anachronistisches produzieren möchte, das wirklich so gar keinen Bezug zur Gegenwart hat. Aber schön ist es und wird hier sicher noch öfter laufen. Gute Dinnermusik.

Armin

2025-06-04 21:14:35- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Affengitarre

2025-05-13 10:17:03

Wieder sehr stark geworden.

MickHead

2025-05-09 11:14:32

Jetzt komplett bei Bandcamp:

https://kaliuchisofficial.bandcamp.com/album/sincerely

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