
Sophia Kennedy - Squeeze me
City Slang / Rough TradeVÖ: 23.05.2025
Gegenteiltag
"Listen to the sweet melodies of the Schlager hit parade!" Meint Sophia Kennedy diese im bierernsten Denglisch vorgetragene Aufforderung etwa ernst? "Everybody's at the fun fair / Ready to take off", beobachtet sie später in "Closing time", stellt dann aber auch endlich fest: "Everything's upside down." Ein Glück: Heute ist Gegenteiltag. Andernfalls hätte die Halb-Hamburgerin-Halb-Amerikanerin nach ihrem Geniestreich "Monsters" ja eigentlich auch voll auf die Pop-Schiene setzen und mühelos billigen Erfolg einfahren können. Das wäre aber keinesfalls in ihrem Interesse gewesen. Stattdessen legt es das verwirrend betitelte "Squeeze me" darauf an, ganz andere Grenzen auszuloten. Was sich nicht geändert hat, nun aber noch weiter auf die Spitze getrieben wird: Kennedys stimmlicher Vortrag, der eine ganze Riege von Chansonnière-Größen evoziert und sich teils in wahrhaft theatralische Höhen schraubt.
Die elektronischen Klangteppiche als Grundlage hingegen bleiben diesmal eher reduziert-bodenständig. Sie geizen aber keinesfalls mit ausgefallenen Sound-Effekten, für die Kennedy schließlich ebenso bekannt ist: "Nose for a mountain" torpediert sein Xylophon-Fundament dergestalt mit gezielten Horror-Vibes wie lieblich-gruseligem Background-Gesang oder schrillen Schreien, dass die Stimmung in der Tat dezent beunruhigend wird. Wie passend, dass die Künstlerin dazu auch noch von der Wirkmächtigkeit von Filmen und von Eskapismus singt – ihre Musik ist ein Gesamtkunstwerk, und Leben und Kunst imitieren sich gegenseitig. "There's a world outside of mine", lautet der Befund passenderweise inmitten des Breakbeats von "Runner", selbst wenn es anfangs noch eine apokalyptische Sci-Fi-Wüste ist. Oder eine futuristische Jazz-Bar in "Oakwood 21", das sein schwermütiges Chanson trotz allem Ambient-Piano dann doch im Glitch verliert und das letzte "Schubidu" geisterhaft verhallen lässt. "Alice im Wunderland" auf unbekannten Drogen, die frech "Konsumier mich!" einfordern.
Dass sich die Melodien oft erst nach mehreren Durchgängen erschließen – die Verworrenheit des Dargebotenen also aktiv Arbeit einfordert, bis sich der Schönklang zu erkennen gibt –, ist Absicht der Musikerin. "Rodeo" zeigt sich zwar zugänglicher, entnimmt aber auch nur das allernötigste Gewebe aus diesem großen Ungetüm namens Pop, welches Kennedy sowieso nach Belieben anzapfen und verarbeiten kann. "Why should I be apologetic?" Spätestens bei den irren Bläsern in besagtem Song, oder wenn "Hot match" das ganze vorangegangene Album mit treibendem Bass und kurzweiligen drei Minuten ad absurdum führt, fallen keine Gründe mehr ein.
"You don't need someone to walk you down the aisle / You're the aisle." In "Drive the lorry" versucht Kennedy sich an Offbeat, in "Imaginary friend" an beinahe barrierefreier Eingängigkeit. Insgesamt ist das wieder in inniger Zusammenarbeit mit Mense Reents gebastelte "Squeeze me" aber ein echter Brocken. Und sorgt selbstverständlich für amüsantes Kopfkino: beste Unterhaltung für die ganze Familie, ein harmloser musikalischer Spaß – in etwa so wie die Duschszene aus "Psycho". Stellt sich abschließend bloß noch die Frage, was denn der Albentitel zu bedeuten hat. Um das Ausgesaugtwerden durch einen toxischen Partner, so wie es "Feed me" möglicherweise andeutet, kann es doch kaum gehen? Eine Kennedy-Actionfigur, die beim Draufdrücken niedliche Quietschlaute von sich gibt, wird viel eher gemeint sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Nose for a mountain
- Runner
- Rodeo
- Oakwood 21
Tracklist
- Nose for a mountain
- Imaginary friend
- Drive the lorry
- Runner
- Rodeo
- Feed me
- Oakwood 21
- Upstairs cabaret
- Closing time
- Hot match
Im Forum kommentieren
myx
2025-06-08 12:01:29
Klingt gut! Habe es noch nicht mehrmals angehört, gibt gerade noch einiges anderes aus den letzten Wochen, das nachgeholt werden will.
Lucas mit K
2025-06-08 10:36:28
Werde mir wohl ein Ticket fürs Konzert kaufen. Das Album wird mit jedem Hören besser.
myx
2025-06-05 21:44:27
Stimmt schon, auf Platte höre ich sie auch etwas lieber, da klingt alles schon noch etwas perfekter. Andererseits habe ich sie jetzt zweimal live in Mannheim erlebt und war jeweils ebenfalls angetan. Was sie live der Platte voraus hat, ist ihr Know-how in Sachen visueller Auftritt als ehemalige Filmstudentin in Hamburg. Das setzt sie clever und überzeugend ein, finde ich.
Lucas mit K
2025-06-05 20:14:23
Bei „Nose for a Mountain“ muss ich eingangs immer unweigerlich an irgendwas von The Knife denken.
Lucas mit K
2025-06-05 20:11:40
Habe mir die Tage mal das radioeins Loungekonzert mit ihr gegeben, weil ich überlegt hatte, mir ein Ticket für ihr Konzert im Oktober zu kaufen. Finde aber, dass die Stücke auf Platte besser funktionieren, sie mehr Pop sind, knackiger und cooler. Live entfalten sie irgendwas anderes, werden sie weniger greifbar. Ihre Stimme finde ich auf Platte auch besser.
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