Pink Floyd - Pink Floyd at Pompeii – MCMLXXII

Pink Floyd Music / Sony
VÖ: 02.05.2025
Unsere Bewertung: 9/10
9/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Auferstanden aus Ruinen

Pink Floyd sind Geschichte. Spätestens der Tod von Richard Wright hat jegliche Hoffnung auf eine weitere Reunion zerschlagen. Dass Roger Waters und David Gilmour gelinde gesagt Schwierigkeiten miteinander haben, ist bekannt und muss hier nicht diskutiert werden. Fest steht, dass die Band schon allein wegen "The dark side of the moon", "Wish you were here", "Animals" und "The wall" für immer und ewig als eine der prägendsten Erscheinungen progressiver Rockmusik gelten wird. Dass die Diskographie der Engländer neben den genannten Alben noch weitere Perlen beinhaltet, muss ebenfalls nicht ausgebreitet werden – die Phase zwischen der Trennung von Syd Barrett und dem epochalen "The dark side of the moon" fristet im kollektiven Gedächtnis jedoch eher ein Nischendasein. Klar, "Echoes" kennt jeder. Und dann war da ja noch dieser Auftritt in Pompeji, der gleichzeitig sinnbildlich für den sich abzeichnenden Größenwahn der Band steht, aber eben auch musikalisch absolut umwerfend war und ist.

Aber der Reihe nach. "Pink Floyd at Pompeii – MCMLXXII" war, so will es das Floyd-Gesetz, ein schwieriges Projekt. Nur ein paar Tracks wurden in den Ruinen der antiken Stadt aufgenommen, der Rest wurde in einem Pariser Studio eingespielt. Die verschiedenen Songs wurden dann zu einem Film zusammengefügt, der visuell faszinierend, aber auch ziemlich prätentiös daherkam. Bei aller Virtuosität des Dargebotenen fiel zudem im Laufe der Zeit immer mehr auf, dass der Sound nicht ganz dem Standard entsprach, für den Pink Floyd zurecht gerühmt werden. Hunderte von teils äußerst fragwürdigen Bootlegs sorgten für zusätzlichen Frust. Vorhang auf für Steven Wilson, seines Zeichens "Prog-Father" und musikalischer Tausendsassa. Wilson hat in akribischer Arbeit die Tonaufnahmen von damals restauriert, neu abgemischt und gemastert. Das Ergebnis kann sich, so viel sei bereits verraten, hören lassen. Wilsons Ansatz, sich auf das Nötigste zu reduzieren, ist ein Segen. Der Sound fällt äußerst transparent aus, bisweilen ist er fast schon trocken, was den Kompositionen gut tut. Jedes Instrument hat seinen Platz und ist kristallklar zu hören.

Dass damals teils schlampig gearbeitet wurde, lässt sich freilich nicht durch moderne Studiotricks verbergen. Wilson macht das einzig Richtige: Kleine Schwankungen und Übersteuerungen werden nahtlos in den Gesamtsound integriert. Dieses angenehm Unperfekte ist es auch, was "Pink Floyd at Pompeii" so faszinierend macht. So dröhnen die Toms in "One of these days" noch immer, nur eben so, dass es nicht stört. Wilsons Zauberkünste offenbaren sich jedoch vor allem in den längeren Tracks, besonders "A saucerful of secrets" ragt diesbezüglich heraus. Wenn in der zweiten Hälfte Wright ans Steuer tritt, nimmt seine Orgel plötzlich den gesamten Klangraum ein. Immer dichter werden die Soundwolken, ehe sich die ganze Spannung im Finale entlädt. Auch "Set the controls for the heart of the sun" profitiert von Wilsons Fingerspitzengefühl ungemein. Nick Masons meditativer Groove verschmilzt mit den anderen Instrumenten, die Musik entfaltet eine ungemeine Sogwirkung. Und dann, naja, dann haut einer auf den Gong, denn den hatten sie auch dabei. Pink Floyd eben.

Bereits auf der Originalveröffentlichung von 1972 war das Kernstück "Echoes" in zwei Hälften geteilt worden, diese Trennung wird im Remaster beibehalten. Was man davon hält, ist nicht besonders wichtig, denn "Echoes" ist noch immer absolut unfassbar, egal in wie viele Teile man es zerschneidet. Woher die Band diesen Song geholt hat, wird wahrscheinlich für immer ein Mysterium bleiben. Nur selten fließen alle Fäden aktueller musikalischer Trends in einer einzigen Komposition zusammen. Und noch viel seltener fungiert diese Komposition als Blaupause für das, was eine Band einzigartig macht. Ohne "Echoes" hätte es die Klassiker-Alben der 70er-Jahre wahrscheinlich nie gegeben. Und ohne "Echoes" klänge das gesamte Genre des Progressive Rock ziemlich sicher völlig anders, als wir es heute kennen. Wie dem auch sei, dem Hund gefällt es. Und solange es dem Hund gefällt, hält man auch "Mademoiselle Nobs", den musikalischen Zwilling von "Seamus" aus.

Für Freunde archivarischer Exkursionen gibt es auf "Pink Floyd at Pompeii" noch drei Bonustracks zu entdecken. Hierbei sind besonders der etwas rauhere Alternativ-Take von "Careful with the axe, Eugene" und die ungeschnittene Fassung von "A saucerful of secrets" hörenswert. Den Edit des ersten Teils von "Echoes" hätte es hingegen eher nicht gebraucht, dieser taucht aber sowieso nur in der Stream-Version des Albums auf. Nun, da sich das Ende des irdischen Daseins der verbliebenen Pink-Floyd-Mitglieder abzeichnet, wird es immer wichtiger, das Werk der Band in die Hände vernünftiger Menschen zu geben. Denn es geht hier nicht nur um das musikalische, sondern auch das kulturelle Erbe. Die Aufnahmen von damals so zu konservieren, dass sie auch für zukünftige Generationen zugänglich bleiben, ist schon aus musikhistorischer Perspektive relevant. Insofern hat Steven Wilson Musikhörern auf aller Welt einen immensen Gefallen getan.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Echoes, part 1
  • A saucerful of secrets
  • Set the controls for the heart of the sun
  • Echoes, part 2

Tracklist

  • CD 1
    1. Pompeii intro
    2. Echoes, part 1
    3. Careful with that axe, Eugene
    4. A saucerful of secrets
    5. One of these days
    6. Set the controls for the heart of the sun
    7. Mademoiselle Nobs
    8. Echoes, part 2
  • CD 2
    1. Careful with that axe, Eugene (Alternate take)
    2. A saucerful of secrets (Unedited)
    3. Echoes, part 1 (Edit)
Gesamtspielzeit: 88:12 min

Im Forum kommentieren

Vennart

2025-05-18 00:15:43

Schöne Rezension!
Den Film im schönsten Kino der Stadt sehen zu können, war schon ein echtes Kinohighlight der letzten Jahre für mich.

Lateralis84skleinerBruder

2025-05-15 19:57:51

Ummagumma mein guilty pleasure der Band :D

Huhn vom Hof

2025-05-15 18:52:32

@Neytiri
Hast du dir auch "Ummagumma" angehört?

Neytiri

2025-05-15 18:50:00

Roger Waters bezog das natürlich auf Division Bell, weil er dort gar nicht mitgewirkt hat, aber ich finde sein Zitat hier passender.

Aufgrund der gelungenen Rezension habe ich mich mit großer Vorfreude und Erwartung dem Frühwerk von Pink Floyd angenommen, kann der Musik aber über weite Strecken gar nichts abgewinnen.

afromme

2025-05-15 18:13:57

"Ich muss Roger Waters zitieren: "Nur Müll … Unsinn von Anfang bis Ende."

Da bezog er sich aber auf Division Bell, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.

"Irritation: "Meddle" wurde 1971 veröffentlicht und "Echoes" nimmt die Seite2 ein. Und klingt aus einem Guss.
Wieso also zweigeteilt wie bereits 1972?"

Kontext ist die ursprüngliche Pompeii-Veröffentlichung. Da war Echoes auch schon zweigeteilt.

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