
Spiritbox - Tsunami sea
Pale Chord / Rise / BMG / UniversalVÖ: 07.03.2025
Nackenknacken
Was genau Spiritbox machen, wissen sie wahrscheinlich nicht einmal selbst. Ja, irgendwas mit "-core", sicher. Aber dann halt auch wieder überhaupt nicht. Auf ihrem zweiten Album "Tsunami sea" hievt die kanadische Band um das Ehepaar Courtney LaPlante und Mike Stringer ihren unverkennbaren Sound auf ein neues Niveau. Alles ist noch brachialer, noch fetter produziert. Die Samples knirschen, die Saiteninstrumente machen Geräusche, die sie eigentlich gar nicht machen dürften. Und LaPlante seufzt und keift, dass es eine wahre Freude ist. Die Kunst von Spiritbox besteht darin, völlig amelodische Parts mit Refrains zu verbinden, die für sich genommen auch auf einem Evanescence-Album Platz finden würden – wenn da nicht dieser kaum im Zaum gehaltene Irrsinn wäre, der immer wieder aufflackert.
Insofern sind Spiritbox eine durch und durch zeitgenössische Metal-Band. Der Geist von TesseracT und Meshuggah durchweht noch immer die brutalen Tiefstton-Attacken, wobei der Pop-Appeal nie ganz aus den Augen verloren wird. Es erscheint daher nur logisch, dass Spiritbox eine der derzeit beliebtesten Bands des Genres sind. Puristen, die ein Mint-Exemplar von "Jane Doe" an der Wand hängen haben, werden mit dieser Art Musik freilich nicht glücklich werden. Zu lieblich sind cleanen Passagen, zu dekonstruiert die Riffs. Hinzu kommt, dass der Lautstärkepegel des Mixes bewusst auf Anschlag gedreht ist. Die extreme Kompression, die bei so mancher Band eher ein Unfall ist, wird bei Spiritbox jedoch zum bewusst eingesetzten Stilmittel. Das ungemein bösartige "Black rainbow" würde beispielsweise mit einem traditionelleren Sound überhaupt nicht funktionieren. Man könnte auch sagen, dass Spiritbox so etwas wie die Hyperpop-Variante des Metalcore sind.
"Keep sweet" veranschaulicht diese These eindrucksvoll. Der Song wechselt gekonnt zwischen Doublebass-Gewittern und Kuschel-Atmosphäre, wobei letztere freilich nur dann zustandekommt, wenn man Nägel mit ins Bett nimmt. Ein weiteres Highlight ist die Single "Soft spine", deren wütender Gestus hervorragend zur noch immer beeindruckenden Stimme LaPlantes passt. Während die Gitarren an Pac-Man mit Keuchhusten erinnern, brüllt sich die Vokalistin die Stimmbänder aus dem Hals. Dazu kann und muss man nicken, bis die Knochen knacken. Im Verlauf des Albums streuen die Kanadier*innen immer wieder kleine Verschnaufpausen ein, sodass die Ausbrüche umso mehr in die Glieder fahren. So ist der Titeltrack in seiner Anlage fast schon ein bisschen käsig, aufgrund der souveränen Melodieführung ist dies jedoch verschmerzbar.
Auch wenn die ruhigeren Momente alles andere als schlecht sind, bleiben doch die lärmigen Passagen die eigentlichen Hingucker. Wenn etwa "No loss, no love" losbrettert, als wäre Cerberus höchstpersönlich hinter der Band her, gibt es kein Halten. Ein präzise gesetzter Breakbeat-Part durchbricht zwar das Getöse, kann aber nur kurz Linderung verschaffen. Besonders die völlig freidrehenden Gitarren sorgen im finalen Ausbruch für Gänsehaut. Immer wieder schleichen sich auch elektronische Elemente ins Soundbild, besonders das fast schon tanzbare "Crystal roses" ragt diesbezüglich heraus. Ob das alles Substanz hat, bleibt dem Konsumenten überlassen. Sicherlich müssen sich Spiritbox die Kritik gefallen lassen, letzten Endes auf totale Überwältigung ausgelegte Musik zu produzieren. Dass dies nur in ganz bestimmen Momenten funktioniert, ist aber nicht die Schuld der Urheber.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Black rainbow
- Soft spine
- No loss, no love
- Crystal roses
Tracklist
- Fata morgana
- Black rainbow
- Perfect soul
- Keep sweet
- Soft spine
- Tsunami sea
- A haven with two faces
- No loss, no love
- Crystal roses
- Ride the wave
- Deep end
Im Forum kommentieren
The MACHINA of God
2025-04-10 23:21:16
Für mich ist das eine lupenreine Djent-Gruppe, mit gewissem Popappeal.
Ich glaube genau daher kommt die Bezeichnung als Metalcore. Geballer plus Pop-Refrains ist für einigewohl die Essenz von Metalcore.
boneless
2025-04-10 21:54:44
Ich bin etwas verwundert, dass man Spiritbox unter Metalcore einsortiert. Für mich ist das eine lupenreine Djent-Gruppe, mit gewissem Popappeal. Ich höre da sehr viel TesseracT, die Vocals von Courtney ergänzen den Sound gut, mir gehen die Songs mit reinem, cleanen Gesang besser rein als jene mit Geschrei, auch wenn sie selbiges hervorragend beherrscht. Tsunami Sea ist alles in allem schon richtig gut geworden.
Klaus
2025-04-01 16:22:58
Finde bei Metalcore echt nur weniges, was über einem gewissen Genredurchschnitt ist, der zwar "ganz nett" ist, aber selten wirklich packt. in meinen augen ist das Genre halt sehr schnell auerzählt, zumindest was die bekannteren Namen angeht. Das hier war eben leicht über dem Schnitt.
The MACHINA of God
2025-04-01 16:20:28
"War echt okay" klingt als hätte man ziemlichen Mist erwartet. :D
Klaus
2025-04-01 16:08:40
Neulich auch gehört. War echt okay.
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- Spiritbox - Tsunami sea (7 Beiträge / Letzter am 10.04.2025 - 23:21 Uhr)