
Postcards - Ripe
Ruptured / T3VÖ: 28.03.2025
In der Dämmerung
Dass Künstler*innen aus dem Libanon in unseren Landen von sich reden machen, ist eine eher seltene Ausnahme. Beirut sind nämlich Amis und Lebanon Hanover aus England! Na gut: Zumindest Keanu Reeves, Bassist der Alt-Grunger Dogstar, ist in dem Mittelmeerstaat geboren. Das Shoegaze-Trio Postcards um Sängerin und Gitarristin Julia Sabra ist vergleichsweise weniger prominent, kommt allerdings seit 2012 gerade in Europa doch ziemlich viel rum – abseits der großen Bühnen, versteht sich. Die konsequent dem DIY verpflichtete Band ist mit "Ripe" nun schon bei Album Nummer fünf angelangt, und mit über einem Jahrzehnt Erfahrung gilt sie als die am längsten bestehende Alternative-Formation des Landes. Das lässt zweifelsfrei aufhorchen. An der Qualität der Musik liegt es bestimmt nicht, dass die breite Öffentlichkeit bisher nie so wirklich in den Genuss der Neunziger-affinen Libanes*innen gekommen ist. Ändern wir das also!
"Ripe" verpasst dem schon eh und je melancholischen Sound der Band eine gehörige Portion Kraft und Energie. Zentnerschwer und trotzdem vorsichtig tastet sich "I stand corrected" noch als porenreiner Dunkel-Dreampop nach vorn, doch anschließend beschwören Postcards nichts weniger als den Weltuntergang in zehn mal mehr, mal minder sanften Facetten. Und pendeln dabei gern zwischen den Extremen: "Poison" post-punkt sich auf hypnotisierendem Basslauf einmal quer durch die Siouxsie-Schule, stört den Unterricht aber mit ungestümen Noise-Attacken, während "Nine" lieber folkig-ätherisch aus dem Fenster schaut. Dieses Ausloten verschiedenster Stimmungen bleibt das Hauptanliegen des Albums, wenn es auch im Hintergrund immerzu bedrohlich brodelt.
Lange und schwerfällige Stücke wie "Wasteland rose" demonstrieren, dass Postcards dezente Blackgaze- oder auch Symphonic-Metal-Anleihen zulassen, ohne dass letztere als kitschig-melodramatisch missverstanden werden könnten. Denn Sabras wandlungsfähige Stimme hat in den höheren Frequenzen gern mal etwas von Sharon Den Adel, bei den kraftvolleren Momenten ruft sie hingegen Dolores O'Riordan von The Cranberries ins Gedächtnis. Aber auch die starken Vocals malen die Farben der Band ausnahmslos in düster, trist und schwarz: "Ruins" wehrt sich gegen den "catatonic winter" mit manischem, gegen alle Definitionen von Groove verstoßenden Schlagzeug-Geknüppel, über das Postcards einen dicken Topf voller Ambient und Postrock ausgießen. Und macht seinem Namen somit alle Ehre.
Dieser Apokalypse entgegen stehen nur die sorgsam eingestreuten eingängigeren Momente wie das wieder durch tanzenden Bass glänzende "Colorblind" oder das reduziertere "Angel". Die überragende Single "Dust bunnies" kontrastiert ihre treibende Rock-Kante derweil mit einem assoziativen, poetisch dichten Text, der nach und nach eine knisternde Spannung aufbaut. "The scent of slaughtered cows in summer / Like living in a giant gutter" – aber bitte in der Scheiße tanzen! Vielleicht einer der besten Indie-Rock-Songs des Jahres. Ohnehin bemühen sich Postcards auch in der ärgsten Finsternis um den maximalen Hoffnungsschimmer: "I am no longer dead inside." Spätestens wenn Sabra in "Construction site" wie eine trotzige PJ Harvey ihre Selbstwirksamkeit zelebriert und "Dark blue" auf versöhnlicher Note endet, wünscht man sich, dass die Nacht eines Tages vorbei ist. Und dass ganz viele Leute dieses Album hören werden.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Dust bunnies
- Ruins
- Construction site
Tracklist
- I stand corrected
- Dust bunnies
- Poison
- Wasteland rose
- Nine
- Colorblind
- Ruins
- Angel
- Construction site
- Dark blue
Im Forum kommentieren
Immermusik
2025-03-30 20:32:28
Noch shoegaziger. Noch düsterer. Nix dagegen. 8/10
MickHead
2025-03-28 12:58:08
Jetzt komplett bei Bandcamp:
https://postcardsmusic.bandcamp.com/album/ripe-ruptured-t3
Armin
2025-03-26 20:25:34- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Immermusik
2025-03-09 10:07:15
Herzensband. Spitzen Vorab Song.
MickHead
2025-03-05 22:45:25
Die libanesische Dreampop Band "Postcards" aus Beirut, kündigt für den 28.03. das 5. Studioalbum "Ripe" an. Es folgt auf "In Parenthesis Vol. 1" von 2022
Genre: Dreampop, Indie-Pop, Indie-Folk, Shoegaze
Erster Song "Dust Bunnies"
https://youtu.be/CkD5du145TQ?si=RbslNHKW6pL-MQr1
"Ripe" bei Bandcamp:
https://postcardsmusic.bandcamp.com/album/ripe-ruptured-t3
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