Blumengarten - Ich liebe Dich für immer

Universal
VÖ: 28.03.2025
Unsere Bewertung: 2/10
2/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Stilblüten

Wenn man jedweden Titel für das eigene Debütalbum wählen kann und sich dennoch für "Ich liebe Dich für immer" entscheidet, ist das in erster Linie mutig. In dieser Hinsicht zeigen Rayan Djima und Samuel "Sammy" Eickmann Courage. Seit 2020 musizieren der "Bauchgefühl-Sänger" (Promotext) Djima sowie Gitarrist und Produzent Eickmann gemeinsam. Zahlreiche Vorschusslorbeeren wurden den ehemaligen Mitschülern aus dem westfälischen Velbert nach einer Kooperation mit Paula Hartmann und einem Auftritt bei Jan Böhmermann überreicht, etwa in Form eines Polyton-Awards für die Komposition ihrer zweiten EP "Versprochen, alles wird gut!". Auch das collagenartige Cover des Blumengarten-Langspieldebüts macht Hoffnung auf außergewöhnliches Storytelling über Abgründe hinter notdürftig angestrichenen Plattenbau-Fassaden. Um stromlinienförmigen Deutschpop ohne Ecken und Kanten kann es sich angesichts dieses Covers und dieser Vorgeschichte doch gar nicht handeln, oder? Doch, kann es! Schlimmer noch: Man wünscht sich, jemand hätte die wenigen vorhandenen, ohrenbetäubenden Ecken und Kanten geschliffen.

"Erinnerung" gibt die Richtung vor: Mit Autotune-Unterstützung säuselt Djima Kalendersprüche wie den, dass er nur für den Moment lebe, während er dank den Wundern der Technik auch noch den prinzenartigen Backgroundgesang übernimmt, der aus einem langgezogenen U besteht. Nach eineinhalb Minuten greift der erste Gast zum Mikro: Sido liefert familienkompatible Lines über "Toastbrot und Pfandflaschen / Lose Bekanntschaften" ab. Wären die Blumengärtner doch mal in Berlin aufgewachsen anstatt im auf andere Art mausgrauen Velbert! So aber haben sie, anders als das Albumcover suggeriert, nichts Spannendes aus ihrer Jugend zu erzählen – auch nicht im Titeltrack, dessen Text offenlässt, ob er von einer Liebe zu ebenjener Jugend, zu einem Menschen oder zu Frank Oceans Mixtape "Nostalgia, ultra" handelt. Weniger interpretationsbedürftig fallen die Texte zu ungelenk zwischen englischsprachigen Refrains und deutschsprachigen Strophen pendelnden, autotunelastigen Akustikgitarren-Schnulzen wie "Sonne im August" aus. Der Minimalismus und das glaubwürdige Storytelling der soliden dritten EP "Schönheit die in Schmerzen liegt" sind passé, nun werden im zeitgenössischen überproduzierten Deutschpop-Einerlei Phrasen gedroschen.

Der ehemalige Maskenmann aus dem Prenzlberg machte nur den Anfang, auch weitere Sprechgesangsprominenz ist in den Blumengarten geladen fürs gefühlige Plattitüdenpalavern. Zunächst verortet sich Symba "Verloren in der Welt", später betreibt Apsilon Gesamtschulphilosophie, während "Die Stadt verblasst". Der in den Texten mehrfach kontextlos in den Raum geworfene Schmerz wirkt wie bloße Behauptung. "Daheim" sind Djima und Eickmann in einer zwar heilen, aber stilblütigen Welt, in der man nebst bimmelnden Glöcklein und herzallerliebstem Chor Zeilen wie "Der Himmel stürzt auf uns ein / Und Du lässt mich niemals allein" singt. Beim Teutates!

Wirkt das Album bis zum Beginn des letzten Drittels noch wie ein Versuch, auszutesten, wie viel Kitsch man einem sehr jungen Publikum zumuten kann, bis einem der aufgrund der Vorschusslorbeeren sichergeglaubte nächstjährige Southside-Slot zwischen Kaffkiez-Gig und Luisa-Neubauer-Rede genommen wird, strapazieren die letzten Tracks die Nerven allzu sehr. So äußert der Schauspieler Don Gaspár Ali im Piano-Interlude "Nostalgie" den Wunsch einer Zeitmaschinenreise in Worten, die in ihrer Infantilität einem durchschnittlichen Fünftklässler die Schamesröte ins Gesicht treiben würden. Das tut er zu allem Überfluss mit einer Prätentiösität, als rezitiere er Shakespeare. Im Background versucht sich Djima derweil an Gospel-Gesang und jault "Hallelujah!". Um Himmels willen! Davon dürfte sogar der schmerzbefreiteste Formatradio-Moderator die Finger lassen und den Platz zwischen Mark Forster und Apache 207 lieber Lea überlassen.

(Dennis Rieger)

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Highlights & Tracklist

Highlights

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Tracklist

  1. Erinnerung feat. Sido
  2. Ich liebe Dich für immer
  3. Sonne im August
  4. Verloren in der Welt feat. Symba
  5. Daheim
  6. Tut es noch weh feat. Kasi & Antonius
  7. Ultraviolette
  8. Träum von Dir
  9. Was wäre ich dann jetzt
  10. Die Stadt verblasst feat. Apsilon
  11. Supernova
  12. Nostalgie
  13. Dunkelschwarz
Gesamtspielzeit: 42:05 min

Im Forum kommentieren

manumanu

2025-03-31 15:38:05

Also eins ist klar: Dennis Rieger wird von niemandem für immer geliebt.

Wer Ausdrücke wie "der ehemalige Maskenmann" benutzt und denkt, er würde klug wirken, wenn er möglichst viele Wörter, die auf "-tät" enden, rausballert, sollte bei der Kritik von textlichen Fähigkeiten nicht so große Töne spucken.

AliBlaBla

2025-03-29 11:23:06

Im MUSIKEXPRESS großer Bericht, also die feiern das ziemlich-
Warum so viel Hate hier?

Das berührt mich irgendwie ungut.

captain kidd

2025-03-28 22:20:25

Eine der spannendsten Stimmen aus Deutschland derzeit. Auf dem Apsilon-Album war er auch fantastisch. Und auf dem Bazzazian-Brett sowieso. Album aber noch nicht gehört.

Arne L.

2025-03-28 22:18:10

Und Apsilon. Schon ein wilder Take, haha :D

Huhnmeister

2025-03-28 22:14:49

Den kenn ich nicht. Aber allein der Name… ULTRAbeschissen!

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