The Horrors - Night life

PIAS / Rough Trade
VÖ: 21.03.2025
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Spukrest

Alles an "Night life", dem sechsten Longplayer von The Horrors, macht zunächst einen generischen Eindruck – der Albumtitel, das in Schwarzweiß getauchte Cover, das Erotik mit Gefahr zu verbinden weiß, Songtitel wie "Silent sister", "The silence that remains" oder "The feeling is gone". Und tatsächlich: Wenn der Sound der Briten so etwas wie ein Zentrum besitzt, haben sich diese neun Stücke fest darin eingehakt. Vorbei sind die jüngeren Eskapaden der beiden EPs "Lout" und "Against the blade" aus 2021, auf welchem das Quintett untypischerweise völlig garstigen und unmelodischen Industrial Rock spielte. Allerhöchstens die zähnefletschenden Surr-Effekte von "Silent sister" oder die gebrüllten Vocals von "Trial by fire" deuten an, dass noch Restspuren davon geblieben sind. Speziell erstgenannter Song fällt aber in einen so druckvollen melodischen Refrain, dass der Kontrast alles viel verdaulicher wirken lässt. Machen The Horrors also neuerdings Malen nach Zahlen? Gewissermaßen. Und sie pinseln trotzdem wieder ein verdammtes Kunstwerk daraus.

"Night life" dockt also mehr als sieben Jahre später lieber da an, wo "V" aufgehört hatte. Das war bekanntlich mit "Something to remember me by" bei einer ordentlichen Hymne und auch "Night life" setzt als Rausschmeißer seinen größten Moment in die Tracklist. "LA runaway" platzt vor schierer Sehnsucht, der aufgehenden Sonne am nächsten Morgen entgegenzurennen. "Take a flight to the other side of the world / 'Cause I have to go but I still don't know what I'm running from." Womöglich sind es die Geister, die vor allem in der ersten Albumhälfte herumspuken, ausgedrückt in der famosen Bassline des unheilschwangeren "The silence that remains" oder dem überraschend skitternden Ende von "Ariel", das den grandiosen Pathos kunstvoll unterläuft. "Over years and your voice still carries / Lullabies in the world of the blind / Take me cross the river into the fire", fordert Faris Badwan mit unterkühltem Timbre in "Silent sister".

Wenig später brennt die Welt. "Trial by fire" möchte seinem Titel wirklich jede Ehre machen, wenn es für den Chorus den Flammenwerfer anschmeißt und Badwan das Wort "trigger" förmlich ausspuckt, bevor er giftet: "No one gets out alive!" Kein Wunder, dass danach mit "The feeling is gone" erst mal ein Ruhepol her muss, auch wenn der so niedergeschlagen daherkommt, dass man ihn nur noch in den Arm nehmen möchte. Auch wenn "Lotus eater" danach das Licht einschaltet, bleibt es lange in sich ruhend. "If the world should end today / We've spent too much time / Worrying about yesterday." Erst nach und nach erhebt sich hinter den Synth-Schwaden ein tanzbarer Groove. Wie eine Art schwerelose Reprise wirkt da später "When the rhythm breaks" – wieder so ein bezeichnender Titel – das mehr den Charakter einer harmonisch verbindenden Interlude innehat.

So einen zugegebenermaßen äußerst eingängigen und mitreißenden Song wie "More than life" hauen The Horrors doch aber im Schlaf raus, oder? Was hat "Night life" denn überhaupt Neues zu bieten? Wo ist die klangliche Abenteuerlust hin? Fragen, deren Antworten völlig egal sind, wenn man darüber grübelt, was hier in den Highlights erwähnt werden muss, weil sich mindestens zwei Drittel der Songs dafür quasi aufdrängen. Wäre dieses Werk mitten in der Dark-Synthpop-Hochphase in den 80ern erschienen, würden wir heute The Horrors als Legenden feiern. So bleiben sie irgendwo in der zweiten oder dritten Reihe haften: eine Band von unschätzbarem Wert, die einmal mehr bewiesen hat, wie unberechenbar sie nach wie vor ist und wie gut sie ihren Kernsound trotzdem beherrscht.

(Felix Heinecker)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Silent sister
  • More than life
  • LA runaway

Tracklist

  1. Ariel
  2. Silent sister
  3. The silence that remains
  4. Trial by fire
  5. The feeling is gone
  6. Lotus eater
  7. More than life
  8. When the rhythm breaks
  9. LA runaway
Gesamtspielzeit: 45:04 min

Im Forum kommentieren

Klaus

2025-06-13 15:09:47

https://www.instagram.com/thehorrors/p/DK1j1Wuq69J/

Hier ist der Insta-Post dazu. Die Frau, die ich nicht zuordnen konnte, ist die neue Keyboarderin.

Felix H

2025-06-13 14:52:50

Das klingt weird. Dabei sind die als Band live saugut.

AliBlaBla

2025-06-13 13:39:25

Oha, das is vielleicht n bißchen mau ...

Klaus

2025-06-13 13:16:44

Wird übrigens keine Bandtour, sondern Sänger + Keyboarder + eine Frau an den Synthies (?), die eine "Clubversion" des Albums spielen.

Klaus

2025-06-13 13:08:40

Würde mir sofort ein Ticket kaufen, aber ich hab Sorge, dass es dann nur davor ist.
(Abgesehen davon mag ich das Gretchen nicht)

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum