
The Tubs - Cotton crown
Trouble In Mind / CargoVÖ: 07.03.2025
Narziss und Schrottkehlchen
Nur, um das klarzustellen: Owen Williams gehört sicher nicht zu denjenigen, die auf Friedhöfe gehen, um sich erotische Anregungen zu verschaffen. Bei der Frau auf dem Cover handelt es sich nämlich um Williams' Mutter, die 2014 verstorbene Schriftstellerin und Singer-Songwriterin Charlotte Greig, und beim Baby an ihrer Brust um niemand anderen als den The-Tubs-Frontmann höchstselbst. Ein ziemlich melancholisch-tiefgehendes Artwork samt Grabstein hat er sich also für das zweite Album des walisischen und inzwischen in London beheimateten Quartetts einfallen lassen – aber auch ein formschönes, nachdem auf "In love again" von Williams' Zweitband Ex-Vöid zuletzt eine eher unschön detailfreudig gezeichnete Comic-Schreckschraube zu sehen war. Doch zum Glück klingt auch der Nachfolger des Wonneproppens "Dead meat" nicht etwa nach Totensonntag und Allerseelen, sondern vielmehr nach klirrendem Indie-Noise mit Chucks und schluffigen Klamotten und allenfalls nach einem Himmel, der voller Jangle-Gitarren hängt.
Allzu flauschig geht es unter der "Cotton crown" jedoch nicht zu, wenn Williams in seiner notorisch grübelnden Nöl-Phrasierung in "Freak mode" schaltet und zu einem trügerisch perlenden Popsong dem eigenen "Narcissist" vor dem Spiegel erzählt: "Jane says you're a narcissist / Maybe even a sociopath / I know that I've been feeling pretty blue / Well exactly what am I supposed to do?" Gute Frage. Mit der sich der Mann schon länger herumschlägt, denn das von der 2021er-EP "Names" stibitzte "Illusion" weiß zwar auch nicht weiter und naturgemäß noch weniger als Part 2, der auf "Dead meat" als Opener fungierte – aber wozu darum einen so astrein auf den Punkt geschrammelten, swingenden Zweiminüter bekritteln? Zumal Williams gerade erst in Fahrt kommt, seine Band im wunderbar krachigen "Chain reaction" zu einer angespitzten Abwandlung von "Ring a ding ding" von den alten Brit-Helden Brakes hochjazzt und dabei quengelnd einen jungen Johnny Rotten gibt. Denkbarer Arbeitstitel: Narziss und Schrottkehlchen. Fetzt.
Doch so vehement The Tubs auch gegen die zerknirschten Tendenzen anspielen, die ihrem Sänger Bauchgrimmen verursachen: Es bleibt schwierig in Sachen aufrichtige Selbstakzeptanz, nachvollziehbares Sozialverhalten und zwischenmenschliche Vergletscherung. Immerhin eine emotionale Baustelle kann Williams inzwischen schließen: im croonigen, fein arrangierten Closer "Strange", wo er nach über zehn Jahren die Trauer um seine Mutter in einen zutiefst ehrlichen Text verpackt und mit ihrem Ableben seinen annähernd hymnischen Frieden macht. Da fallen am Ende sogar offenbar suffvernebelte und ruinös verqualmte Beziehungsdramen wie im lauthals flehenden Punk-Bömbchen "One more day" nicht mehr ins seelische Gewicht, solange die Riffs am Weg allen Fleisches tröstlich Spalier stehen. Und ob Williams Wind davon bekommen hat, dass Charlotte Greig einmal als "the world's unlikeliest hip-hopper" bezeichnet wurde? Wenn ja: Viel Spaß beim Schatten-Beatboxen auf dem nächsten Album. Und mit "Cotton crown".
Highlights & Tracklist
Highlights
- Illusion
- Chain reaction
- Strange
Tracklist
- The thing is
- Freak mode
- Illusion
- Narcissist
- Chain reaction
- Embarrassing
- One more day
- Fair enough
- Strange
Im Forum kommentieren
Armin
2025-03-12 13:14:20- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
MickHead
2025-03-08 22:16:12
Jetzt komplett bei Bandcamp:
https://thetubs.bandcamp.com/album/cotton-crown
Musikexpress 5.5/6
https://www.musikexpress.de/reviews/the-tubs-cotton-crown/
Visions gibt 9/12
Immermusik
2025-03-08 21:34:17
Gefällt mir wieder sehr gut. Diesmal mehr Hüsker Düesk.
Glufke
2025-03-07 15:37:19
"Ja, fetzt, vor allem One More Day!"
Den fand ich beim ersten Hören auch richtig, richtig klasse. Der Rest ist mir (noch?) manchmal etwas zu "zuckerwattig", aber ich glaube, das wächst noch.
jo
2025-03-07 14:40:45
Ich finde das Debüt bisher besser, aber vielen Dank für den Tipp mit Ex-Vöid. Das ist richtig toll!
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