
Puma Blue - Antichamber
Blue Flowers / PIAS / Rough TradeVÖ: 18.02.2025
Heilsam einsam
Wie ist es um Jacob Allens Schlaf bestellt? Eine berechtigte Frage, leidet der als Puma Blue bekannte Künstler schon seit vielen Jahren unter Schlafproblemen, die er regelmäßig in seiner Musik kanalisierte. Das Begleitstatement zu seinem überraschend veröffentlichten dritten Album "Antichamber" liefert keine direkten Antworten, dafür ein ambivalentes Bild seiner Entstehung. Zwei Wochen verbrachte Allen in kalter Einsamkeit in seinem ländlichen Zuhause, um eine "dark time" mit Songs zu verarbeiten, die ursprünglich überhaupt nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Doch weil sie so sehr zu seiner mentalen Gesundheit beitrugen und im privaten Kreis Anklang fanden, fasste er den Mut, daraus eine Puma-Blue-Platte zu machen. Deren akustisches Leitmotiv ist die absolute Reduktion. Ganz alleine, nur mit Akustikgitarre, Field Recordings und Piano ausgestattet, erschafft der in Georgia lebende Brite zärtliche Folk- und Ambient-Stücke, die wie Traumfetzen durch die Nacht gleiten. Es sind keine Vertonungen der Schlaflosigkeit mehr, sondern im Gegenteil Schlaflieder im bestmöglichen Sinne: nicht, weil sie in irgendeiner Form langweilig wären, sie strahlen schlicht eine trostvolle Intimität aus, die besser als jeder Beruhigungstee wirkt.
Dabei ist der neue Sound durchaus gewöhnungsbedürftig. Die Mitternachtstextur von Allens Lo-fi-Soul ist zwar geblieben, die Jazz- und HipHop-Elemente sowie generell alle Beats sind jedoch verschwunden. Stattdessen hallen die Saiten und mehrspurigen Vocals drei Minuten lang durch den abgedunkelten "Hotel room", um sich im Schlussdrittel des Songs zu einem hypnotischen Strudel zu verdichten. Das ist einfach zu schön um zu irritieren, zumal sich die Essenz von Puma Blue, die Reflexionen über innere Wunden, Selbstzweifel und Sehnsüchte, nicht verändert hat. Trotz des Minimalismus findet Allen zudem die richtigen Mittel, einzelnen Tracks eine eigene Kontur zu geben und damit der bei dieser Art von Musik unvermeidbaren Gleichförmigkeit entgegenzuwirken. Das vorab ausgekoppelte "Tapestry" kommt einem "Hit" am nächsten, sticht mit seiner Dringlichkeit und der dezent spanisch anmutenden Gitarre aus dem Rest heraus. Das ultra-langsame "Shame" bildet das exakte Gegenstück davon und würde mit mehr Strom und Begleitwerk als astreine Dreampop-Meditation durchgehen – nicht nur, weil das am Anfang und Ende durch den Song schneidende Lick auch von Slowdives Neil Halstead stammen könnte.
Das erste Drittel von "Antichamber" gerät noch am griffigsten. "I don't wanna be / Without you anymore", singt Allen ganz unverblümt in "Whilst my heart breaks", bevor "Gone is the grace" Sanftheit mit Nachdruck verbindet und wie ein herbstlicher Windhauch durchs Zimmer streift. Dass das Album danach mit einigen Tracks unter zwei Minuten und den eingangs erwähnten Ambient-Stücken zerfasert, ist kein Kritikpunkt, sondern Ausdruck der Direktheit von Allens Songwriting. Es ist ihm außerdem hoch anzurechnen, dass die Instrumentals nie wie Filler wirken und genauso viel Gewicht wie die anderen Songs tragen, wobei "Dying as a note" und die finale Liebeserklärung an die Wahlheimat "Decatur bells" besonders strahlen. Allen mag wieder einige schwere, womöglich schlafraubende Zeiten durchgemacht haben, doch ist der Heilungsprozess hier in jeder Note spürbar. Dass er die Welt daran teilhaben lässt, macht es nur noch schöner.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Hotel room
- Gone is the grace
- Tapestry
Tracklist
- Debris
- Hotel room
- Whilst my heart breaks
- Gone is the grace
- For Montealegre
- Tangent mind
- In my wildest dreams
- Dying as a note
- Shame
- In the absence of you
- Tapestry
- Long term parking
- Decatur bells
Im Forum kommentieren
Armin
2025-03-03 20:42:53- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
myx
2025-03-03 20:33:54
Hìer check ich gleich mal ein. Die Rezi macht neugierig, die Referenzen auch.
MickHead
2025-02-18 19:34:12
Das Album "antichamber" wurde überraschend heute veröffentlicht.
"antichamber" (Playlist bei YouTube)
https://youtube.com/playlist?list=OLAK5uy_l3lqNPBzkeMQrb1UQgguKlP6qupygE_cc&si=-9KFiRLMKFU1vAl7
MickHead
2025-01-30 15:17:40
Der britische Singer-Songwriter und Multiinstrumentalist Jacob Allen aka "Puma Blue" aus London, veröffentlichte am 28.01. seinen ersten Song seit dem hochgelobten 2. Studioalbum "Holy Waters" von 2023.
Genre: Ambient Rock, Alt Soul, R&B, Lo-Fi, Jazz, Bedroom Pop
Influences from: D'Angelo, Radiohead, John Frusciante
Neuer Song " Tapestry"
https://youtu.be/nOLF0bG-cHQ?si=pQ-_vpYqUa64UlWC
"Holy Waters" (2023)
Rolling Stone 4/5
Clash 8/10
https://pumabluemusic.bandcamp.com/album/holy-waters
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Referenzen
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