
Motorpsycho - Motorpsycho
NFGS / CargoVÖ: 21.02.2025
Hell yeah!!!
Motorpsycho sind für ihr atemberaubendes Veröffentlichungstempo bekannt. In der jüngeren Vergangenheit haben sie ihre diesbezügliche Intensität sogar noch einmal gesteigert, seit 2019 legen die Norweger Jahr für Jahr jeweils ein neues Werk vor. Manch anderer Act, der sich eher schwertut beim Komponieren, Texten und Zusammenfügen, dürfte vor Neid erblassen oder gar die Segel streichen. Parallel zur enormen Flut an neuen Songs, in der die treue Hörerschaft zuweilen zu ertrinken droht, schlichen sich zuletzt hier und da auch dezente Zweifel ein, ob der beständige Strom auf Dauer der grundsätzlich unbestrittenen Kreativität zuträglich sein kann. Um noch einmal kurz der Chronistenpflicht Genüge zu tun: Auf die Trilogie aus "The tower", "The crucible" und "The all is one" folgten "Kingdom of oblivion" und "Ancient astronauts", bevor 2023 und 2024 "Yay!" und "Neigh!!" eine Verschlankung des ansonsten oft monumentalen Soundgewands lieferten. Die Chance, das Schaffen der sympathischen Herren aus dem Norden angemessen zu würdigen und zu verarbeiten, ist für Menschen ohne ein Übermaß an Zeit überschaubar. Aber die Vollblutmusiker kennen keine Gnade und es geht weiter im Takt: Das selbstbetitelte "Motorpsycho" spült uns die nächste Welle ins Haus, über 80 Minuten wollen konsumiert, aufgesaugt und durchlebt werden.
Bent Sæther und Hans Magnus Ryan greifen zum Auftakt direkt ins Regal mit den überlangen Songs, "Lucifer, bringer of light" durchbricht souverän die Zehn-Minuten-Marke. Das entschlossen rockige Stück ist schon unmittelbar beim Erstkontakt ein überaus stimmiger Opener und führt unüberhörbar in eine Ära der Band, die grob gefasst zwischen "It's a love cult" aus 2000 und "Heavy metal fruit" aus 2010 zu verorten ist. An den Drums sitzt hier und bei den meisten anderen Songs übrigens als Gast Ingvald Vassbø, Motorpsycho haben sich in der Zwischenzeit für ihre Kernbesetzung wieder auf Duogröße verkleinert. Ohne Schlagzeugbegleitung kommt anschließend "Laird of heimly" aus. Das sphärische Zwischenspiel schwebt als Led-Zeppelin-Reminiszenz über den Dingen. Unmittelbar danach heißt es dann aber wieder: Let there be rock! "Stanley (Tonight's the night)", das vorab bereits größeren Appetit auf das neue Studioalbum gemacht hatte, überzeugt als fluffig-lässige Gitarren-Schrammelei mit Rückenwind. Ein bisschen Abwechslung beim Personal muss sein: Hier und auch beim sich anschließenden, ebenso betont rockigen "The comeback" bedient Olaf Olsen das Drumkit.
Zeit zum Durchatmen? Gern genommen. "Kip satie", einzig mit Piano und Mellotron in Szene gesetzt, sorgt für einen Moment des Verschnaufens, der gleichzeitig einen Übergang markiert zwischen den betont unkomplizierten Rockern zuvor und dem nächsten Langformat. "Balthazaar", ein fast zwölfminütiges Biest, das auf einem unwiderstehlich treibenden Rhythmus fußt, entwickelt sich zu einem atmosphärischen Konstrukt inklusive fanfarengleichen Gitarrenverzerrungen vor dem letzten Drittel. "Bed of roses" grüßt als nächster Zwischenpart glücklicherweise nur im Titel in Richtung Bon Jovi, bevor Motorpsycho einmal mehr jeden Rahmen sprengen: "Neotzar (The second coming)" verdient sich die Einordnung als Longtrack explizit. In mehr als 21 Minuten reist die Band durch ihre eigene Klanggeschichte, baut in klug arrangierten Schritten Spannung auf und schafft es, mittendrin noch einmal komplett die Richtung zu ändern. Das vermag vielleicht nicht gleich auf Anhieb zu zünden wie bei früheren Meilensteinen mit Überlänge, doch mit seinem besonderen Charakter reiht sich dieses Epos dann doch in eine Historie ein, aus der spontan trotz aller Unterschiedlichkeit "The wheel" oder "The golden core" zu nennen sind.
Auch das letzte Drittel fährt noch einmal mächtig auf. Sei es das kernige "Core memory corrupt" oder das nicht minder gelungene "Three frightened monkeys": Motorpsycho haben hier jedweden Zweifel an ihrer Kreativität resolut vom Tisch gefegt, im vierten Bandjahrzehnt sind die Norweger ohnehin längst eine echte Institution. Trotz des nahezu unüberschaubaren Backkatalogs gilt zudem: Zeit, sich mal wieder tief in ihre Historie einzugraben. Das aktuelle Album ist mit seinen hörbaren Ausflügen in die eigene Geschichte auch dazu eine wundervolle Einladung.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Lucifer, bringer of light
- Stanley (Tonight's the night)
- Neotzar (The second coming)
Tracklist
- Lucifer, bringer of light
- Laird of heimly
- Stanley (Tonight's the night)
- The comeback
- Kip satie
- Balthazaar
- Bed of roses
- Neotzar (The second coming)
- Core memory corrupt
- Three frightened monkeys
- Dead of winter
Im Forum kommentieren
fakeboy
2025-04-13 21:35:32
Hab nun zum ersten Mal in Neotzar reingehört - meine Güte, da muss ich nach wenigen Sekunden ausschalten. Dieser Gesang ist schlicht unerträglich.
VelvetCell
2025-04-13 21:31:08
Ich schließe mich an. Neotzar nervt leider. Aber ansonsten wieder ein starkes Album! Das Problem mit Motorpsycho ist Folgendes geworden:
Sie haben ihren Sound seit einigen Jahren kaum verändert. Und sie machen höchst anspruchsvolle Musik, die zwar rockt wie der Teufel, der man sich aber auch vollends hingeben, sie intensiv hören muss.
Das fällt schwerer, wenn der Überraschungsmoment weg ist – also die Stilwechsel, die die Band lange auszeichneten.
Da waren Yay und Neigh willkommene Abwechslungen. Das neue Album hat wegen seiner Vielfalt die Selbstbetitelung wohl verdient, ist aber eben immer noch ein ordentlicher Brocken. Und ich glaube, die Fans sind über die Zeit etwas müde geworden, sich jedes Jahr durch derart komplexe Musik zu arbeiten.
berti
2025-04-13 19:23:43
Neotzar erschließt sich mir auch nicht. Manchmal glaube ich die längsten Stücke auf Motorpsycho Alben werden alleine deswegen lobend erwähnt, weil sie halt lang sind. Meistens sind die Longtracks aber auch tatsächlich Hammer. Ich würde Neotzar aber lieber gegen 4 weitere richtig gute Fünfminüter oder so eintauschen. Aber Jammer auf hohem Niveau. Top Album sonst!
JohnWesley
2025-04-13 10:50:39
Meine Meinung nach geschätzten ein Dutzend Spins: Der Albumanfang gefällt mir ausgezeichnet, die ersten drei Songs klingen wie ein Best-Of Motorpsycho und dabei ist "Stanley (Tonight's The Night)" das Meisterwerk.
"Balthazaar" und "Core Memory Corrupt" sind ebenso ganz ausgezeichnet.
Dieses hohe Niveau wird leider nicht über die komplette Albumlänge gehalten. Und mit dem hier mitunter hochgeschätzte "Neotzar (The Second Coming)" wollen sich meine Ohren nicht anfreunden. Die ersten 2 Minuten 40 bleiben Kunst, die wegkann und erst danach wird siebeneinhalb Minuten prima losgerockt. Natürlich mit Querverweisen zu Black Sabbath (welche Hardrock Band kommt ohne aus?). Bis auf den Schlussteil, der dieses Riffmotiv sehr schön u.a. mit Jazzakkorden wieder aufgreift, höre ich dazwischen 7 quälend lange Minuten Geklimper und Geschredder der Art, wie ich sehr gerne darauf verzichte.
Fazit: Ein ganz gutes Album mit leider diesem bedauerlichen Stückwerk "Neotzar (The Second Coming)".
hesmovedon
2025-04-04 14:12:44
Nach den letzten Alben dachte dachte ich, irgendwann gehen ihnen die Ideen aus. Aber getäuscht, dieses gefällt sofort und wächst. Erinnert oft an ihre beste Zeit um die Jahrtausendwende. Mindestens 8/10
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