
Zement - Passagen
Crazysane / Broken SilenceVÖ: 14.02.2025
Der Geist ist chillig
Hoffentlich ist es Beton, wie in den 90er-Jahren die Werbung nahelegte, um das Image urbaner Klotz-Architektur aufzumöbeln? Immer mit der Ruhe: Bevor gebaut werden kann, muss man die Pampe erst einmal anmischen – hauptsächlich mit Zement. Folgerichtig nannten die Würzburger Neo-Krautrocker Zement 2021 ihr drittes Album "Rohstoff" und Stücke aus ihrer Anfangsphase "Kalkstein", "Sand" oder "Gips". Auf "Passagen" sind Christian Büdel und Philipp Hager zumindest in den Songtiteln deutlich wortreicher unterwegs – den Beweis tritt spätestens "Making a living (I don't know what I want, but I know how to get it)" an, ein von Tribal-Percussions und stoischen Bläsersätzen durchwirkter, schwüler Groover, zu dem sich auch der Guru Guru im Ash Ra Tempel in Trance wiegen würde. Alles andere als Neu! also und eher unter "Yes we Can" einzusortieren, und doch ein entspanntes Hypno-Gebräu, das sich unweigerlich ins Bewusstseinszentrum frisst. Wunderbar – doch war nicht gerade von Neo-Krautrock die Rede?
Keine Sorge: Trotz des leicht nach Stoikertum riechenden Bandnamens steckt die Bewegung beim Opener "Move / Procession" schon im Titel. Und natürlich im Motorik-Beat, den Drummer Büdel mit der Unerbittlichkeit eines auf maximale Tanzbarkeit frisierten Metronoms klopft, während die Gitarre auf keck angerissenen Reverbs im Space-Rock-Universum verglüht – kleine interplanetarische Verschnaufpause inklusive. Die auch bitter nötig ist, denn "Station to station" mobilisiert schon früh sämtliche Hit-Qualitäten des Duos: Die Licks schrammen funky bis psychedelisch über den Club-Floor, hyperaktive Kuhglocken und knörmeliger Gesang platzieren den schlanken Kracher auf dem Zeitstrahl ziemlich genau zwischen Talking Heads und LCD Soundsystem. Wilder treibt es nur das explosive "Back to my looping cave", das die Elektronik aufgeregt zucken und menscheln lässt – wenn man sich ein giftig fauchendes Riff in Endlosschleife dazudenkt, beinahe wie die befreundeten Nachbarn Hildegard Von Binge Drinking.
Während jene ihren Altvorderen jedoch lediglich mit Kraut-Klassiker parodierenden Artworks die Ehre erweisen, graben Zement auf "Passagen" häufig in den tiefer liegenden Schichten des Genres und nehmen sich ausgiebig Zeit für akribisch-kosmische Mörtelarbeiten. Vor allem in "Journeys to a beautiful nowhere", dem man fast schon ein entsprechendes süßes Nichts attestieren möchte, ehe traumhaftes Synth-Gedaddel und barocke Texturen wie von selbst das Ticket für eine bunte, neunminütige Reise zu den Sternen lösen. Zurück auf der Erde heißt es dann "Baptised at the discotheque", wenn die Maschinen statt zu planschen bassig die Muskeln spielen lassen und der sich stetig windende Track spannungsgeladen auf einen Ausbruch hinarbeitet, der letztendlich aber ausbleibt. Da darf in "The night we saw the Holy Ghost" sogar ein marmeladenes Saxofon am Horizont aufgehen, ohne dass dieses Album auch im chilligsten Aggregatzustand etwas von seinem suggestiven Reiz einbüßen würde. Hoffentlich ist es Zement.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Station to station
- Making a living (I don't know what I want, but I know how to get it)
- Back to my looping cave
Tracklist
- Move / Procession
- Station to station
- Making a living (I don't know what I want, but I know how to get it)
- Journeys to a beautiful nowhere
- Back to my looping cave
- Better (always means worse, for some)
- Baptised at the discotheque
- The night we saw the Holy Ghost
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Hierkannmanparken
2025-02-17 14:47:20
Ähh.. Rohstoff natürlich
Hierkannmanparken
2025-02-17 14:29:15
Auch sehr abwechslungsreich. Hab mich nach dem Opener auf 40min Motorik-Kraut eingestellt und musste mich beim funkigen zweiten Track vergewissern, dass ich mich noch im selben Album befinde.
Benzin, der Vorgänger, hat mir ja auch schon gefallen.
Lichtgestalt
2025-02-16 21:39:10
Sehr schönes Album, hat viel von "Neu!".
Wie immer kompetent von Thomas rezensiert.
Armin
2025-02-16 19:12:57- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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