The Wombats - Oh! The ocean

The Wombats / AWAL
VÖ: 14.02.2025
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Gar nicht mal so knuffig

Der Indie-Rock lebt wieder! Nachdem über Jahre hinweg die Qualität des Outputs einstiger Genregrößen sank und sich die Anzahl der E-Gitarren auf den Festivalbühnen mehr und mehr zugunsten von Sprechgesangstalenten lichtete, machen nicht nur junge Wilde von sich reden. Auch einige Veteranen aus den Nullerjahren lieferten im Laufe des letzten Jahres wieder ab. So rockte Jack White nach jahrelangem Mäandern auf ungewohnten Pfaden mit seinem "No name"-Album die Konkurrenz in Grund und Boden. Den vielgescholtenen Kaiser Chiefs gelang es auf ihrem mehr als soliden "Kaiser Chiefs' easy eighth album" wiederum ganz easy, aus dem Sumpf des Fremdscham-Pop aufzutauchen. Die Zeichen der Zeit stehen also nicht schlecht für The Wombats, deren Veröffentlichungen nach ihrem Zweitling "This modern glitch" zumeist eine Mixtur aus hörenswerten Singles und Füllmaterial waren. Sehen auch unsere lange dahindarbenden Marsupialier Licht am Ende des Tunnels – beziehungsweise am Ende des Strandes? Dürfen sie "Oh! The ocean" ausrufen?

Bereits im Oktober des vergangenen Jahres setzten The Wombats mit "Sorry, I'm late, I didn't want to come" ein dickes Ausrufezeichen. Leichtfüßiger klangen die possierlichen Beuteltiere lange nicht mehr. Doch der menschenfreundliche, viervierteltaktige Schein trügt, denn das lyrische Ich zeigt sich wenig begeistert über warme Außentemperaturen: "Summer sun making summer sweat." Im Inneren fröstelt es den Erzähler: "It's not that I hate you, I just hate everyone / I don't want to socialise unless I'm getting numb." Sänger Matthew Murphy erklärt, dass der Song von sozialer Phobie handle. Ob der Text des Pudels schüchternen Kern trifft, darf diskutiert werden. Eher klingen die Lyrics, als berichteten sie aus der Gedankenwelt eines Misanthropen. Allerdings klang Menschenhass seit "Daisies of the galaxy" nicht mehr so knuffig.

Auch "Can't say no" konterkariert zurückhaltende Drums, sanfte Synthies und herzallerliebsten Gesang mit einem wenig lieblichen Text, in dem das lyrische Ich etwa zum Autodiebstahl und zur Zerstörung eines Leichenwagens aufruft. Die Phrasierung Murphys erinnert mehr denn je an die Jan Scott Wilkinsons. Während der Sänger von Sea Power nicht mehr britis(c)h sein will, präsentieren sich die Wombats auf "Oh! The ocean" angesichts augenzwinkernd-böser Texte so englisch wie nie zuvor. Das in jeder Hinsicht großartige "I love America and she hates me" schielt latent auf die 80er-Disco. Auf der Tanzfläche verarbeitet der im Los Angeles County lebende Wombats-Sänger seine Hassliebe zur personifizierten Wahlheimat: "I love America and she hates me / Gets all her pleasure from shattering my dreams / And all my fear just keeps her fed / And I'll love America until the bullet's in my head." Während sich die Produzenten vergangener Wombats-Alben mitunter mit unpassend offensivem Synthesizer-Einsatz verhoben, beweist John Congleton, dass er ein hervorragendes Händchen dafür hat, Synthies geschmackvoll einzusetzen – zumeist dezent, dann aber auch mal passenderweise so druckvoll wie im sehnsüchtigen "Kate Moss".

Alles im grünen Bereich also auf der sechsten LP? Nicht ganz. Einmal mehr trüben einige Filler das Gesamtbild. "Blood on the hospital floor" schrammelt schnurstracks in die Indie-Rock-Beliebigkeit, auch der "Gut Punch" verfehlt sein Ziel. Zudem setzt die Band ihre la-la-lastige Lautmalerei wieder mal zu inflationär ein. Dennoch überwiegt eindeutig das Positive. Songs wie "Grim reaper", in dem Murphy im Refrain seine stark an Neil Tennant gemahnende Kopfstimme nutzt, trauen sich etwas. Auch "My head is not my friend" und der erfrischend zurückhaltend instrumentierte Closer "Lobster" lassen bei allem Augenzwinkern Raum für echte (negative) Emotionen. Zudem liefert "Oh! The ocean" die höchste Ohrwurmdichte seit dem vor achtzehn Jahren veröffentlichten Debüt "A guide to love, loss and desperation". Es wurde auch Zeit, schließlich wollen Festivalfans nicht immer nur nach einem Mord an einem Regisseur nach New York ziehen, um im dortigen Nebel zu Joy Division zu tanzen! Doch die neuen Hits fallen textlich düsterer und doppelbödiger aus. The Wombats sind erwachsen geworden und haben das Ende des unwegsamen Steinstrandes erreicht. Der weite Ozean steht ihnen wieder offen.

(Dennis Rieger)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sorry I'm late, I didn't want to come
  • Kate Moss
  • I love America and she hates me

Tracklist

  1. Sorry I'm late, I didn't want to come
  2. Can't say no
  3. Blood on the hospital floor
  4. Kate Moss
  5. Gut punch
  6. My head is not my friend
  7. I love America and she hates me
  8. The world's not out to get me, I am
  9. Grim reaper
  10. Reality is a wild ride
  11. Swerve (101)
  12. Lobster
Gesamtspielzeit: 42:19 min

Im Forum kommentieren

lars.fm

2025-02-26 11:43:05

Reißt jetzt keine riesigen Bäume aus, aber einige tolle Tracks sind drauf, melodisch wie textlich.

Auf jeden Fall eine der Indie-Bands die ihrer Jugendlichkeit mit Stil und Würde entwachsen sind.

jo

2025-02-21 13:27:14

Übrigens wieder ein sehr stimmiges Album geworden. Auch eine Band, die immer abliefert.

MickHead

2025-02-21 11:46:16

Komplette Playlist bei YouTube:

https://www.youtube.com/playlist?list=PLEpjZ6a3i26cYlOqGK2pPbc8jbr08quSZ

jo

2025-02-16 19:50:23

Meinungen zur Rezension? Erwachsen sind sie für mich spätestens seit Album Nummer drei. Aber eben immer mit einem Augenzwinkern. War auch auf dem letzten Album jeweils sehr gut zu hören.

Armin

2025-02-16 19:12:35- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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