Provinz - Pazifik

Warner
VÖ: 21.02.2025

Massive Töne

"Wir sind die Coolsten, wenn wir cruisen / Wenn wir durch die City düsen ..." Als hätte das Liedgut der Herrschaften von Provinz nicht selbst genügend Ohrwürmer in petto, schießen einem beim Anblick des Videoclips zu "Sommer macht melancholisch" unweigerlich die Massiven Töne in den Kopf. Dabei ist das kein Einzelfall. Provinz sind in Sachen Autovideos Wiederholungstäter. Wer die Bilder von "Neonlicht", "Was uns high macht" oder "Verrate Deine Freunde" parat hat, wird Parallelen erkennen. Der weiße Mercedes aus letztgenanntem Song des 2022er-Erfolgsalbums "Zorn & Liebe" feiert auf dem aktuellen Longplayer sogar sein Comeback und bekommt ein eigenes Stück. "Ich war schon immer kaputt, ein bisschen defekt / Du hast mich repariert, nur für einen Moment", muss Sänger Vincent Waizenegger im Refrain der orchestralen Ballade "Weißer Mercedes" kleinlaut und selbstkritisch zugeben. Ganz schön viel Gefühl für PS-Liebhaber.

Selbstredend ist "Pazifik" insgesamt wieder ein Album geworden, das zwischen den Gefühlswelten der Millenials und Zoomer inmitten von Liebe und Einsamkeit, Zukunftsängsten und Hoffnungen hin- und herpendelt. Provinz schreiben seit jeher Songs, die man nicht nur hört, sondern auch fühlt. Gleich das eröffnende "Kein Tag ohne Dich" ist ein Paradebeispiel dafür. Inhaltlich voller Emotionen und musikalisch irgendwo zwischen intimer, akustischer Clubnummer und vielschichtig instrumentierter Stadionatmosphäre. Nahtlos schließt sich der Titeltrack an: "Ich dachte, Du und ich, wir sind für immer / Ich dachte, wir schau'n irgendwann zurück / Ich dachte, Du und ich, wir sind für immer / Jetzt liegt da ein Pazifik zwischen uns / Zwischen uns ein Pazifik / So tief und riesig." Während die Band Geschichten aus dem echten Leben erzählt, ist die Stimmung eher introvertiert und gedrückt, aber stets mit einer hoffnungsvollen Note versehen. Melancholie fasst es am besten zusammen. "Und warum hält der Sommer nicht, was er uns verspricht? / Der Sommer macht melancholisch", singt Waizenegger mit gewohnt markanter Stimme im Refrain von eingangs erwähntem "Sommer macht melancholisch", einer bittersüßen und nostalgischen Liebesgeschichte, und wird dabei von einem mitreißenden, ein klein wenig an Blur erinnernden "Woo-hoo" im Background begleitet. So traurig und doch zugleich so ungemein launig.

Das Quartett aus dem oberschwäbischen Vogt hat sich mittlerweile räumlich nach Hamburg verändert, wirkt in den Songs hier und da etwas unaufgeregter, aber fokussiert sich insgesamt auf die bekannten Trademarks. Aber warum auch nicht? Das zuckersüße "Bringst Du mich nach Haus" geht genauso wie "Fernweh" beschwingt voran und tut keinem weh. Auch "Draußen ist Krieg", bei dem man sich mit $oho Bani prominente Unterstützung an Bord geholt hat, drückt mit Hilfe einer mitreißenden Piano-Melodie gepaart mit Synthie-Sounds ordentlich auf die vielzitierte Tube, greift mit der Dauerberieselung durch Social Media, News und Werbung inmitten unsicherer Zeiten aber gleichzeitig ein ernstes Thema auf: "Draußen ist Krieg / Du schließt die Augen, bis Du gar nichts mehr siehst / Träumst Du vom Paradies, wenn der Hass seine Grenzen verschiebt." Wenn unmittelbar danach ein Song wie "Walzer" folgt, der sich – nomen est omen – im Dreivierteltakt ins Ohr schunkelt und man später noch ein paar nachdenkliche, ruhige Songs wie "Alaska (Robin Skit)" oder "Indigo" nachlegt, gehört man aktuell vermutlich nicht zu den Coolsten, aber weiterhin zu den Guten.

(Jochen Gedwien)

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