The Weeknd - Hurry up tomorrow

Republic / Universal
VÖ: 31.01.2025
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Director's cut

Sag zum Abschied leise Servus? Nicht mit Abel Tesfaye. "Hurry up tomorrow", sein vermeintlich letztes Album als The Weeknd, kommt mit viel Getöse und einem Artwork, das mehr Kinoplakat als Plattencover ist. Kein Wunder: Ein gleichnamiger Film ist für einen späteren Release geplant und die Songs sollen gewissermaßen als Soundtrack dazu fungieren. Ob das nach Tesfayes Auftritt im eher grausigen HBO-Serienflop "The idol" eine gute Idee ist, sei dahingestellt. Aber mit breitgefächerter Instrumentierung, diversen Intros, Outros und Interludes, miteinander verwobenen Tracks und einer mehr als stolzen Laufzeit ist "Hurry up tomorrow" schon als Audiodokument cineastischer als mancher Zelluloid-Streifen. 22 Songs in 85 Minuten laufen Parade – sofern man nicht die völlig bananige physische Variante mit zwei Bonustracks, aber sonst nicht mal die Hälfte der anderen Stücke besitzt – und es sind nicht mal alle Vorabsingles drauf. Das poppige "Dancing in the flames" fiel gewissermaßen der Nachrichtenlage zum Opfer, angesichts der Waldbrände rund um Los Angeles erscheinen Zeilen wie "Everything's faded, we barely made it / The fire's raging but you're still beautiful" allzu unpassend.

Dabei gibt es unter den Songs, die es auf das Album geschafft haben, genügend potenzielle Hits. "Give me mercy" ist fast schon zu süß, perlt mit seinen Synths auf der blankgeschrubbten Oberfläche. Dieses Album ist ohnehin eine Ohrenweide, extrem gut ausproduziert und faszinierend detailreich über Kopfhörer. Das kommt auch dem mitreißenden "Open hearts" zugute, das in bester "Blinding lights"-Manier die Haupthook einer Synth-Line überlässt. "Where do I start when I open my heart? / It's never easy falling in love again", lamentiert Tesfaye. Sein Herz schüttet er über die ganze Platte aus, über die dunklen Seiten des Fame, über Todessehnsucht, die Verlockungen von Alkohol und anderen Drogen, die Anziehung und Abstoßung von Sexpartnerinnen. Keine Weiterentwicklung also im lyrischen Bereich. Musikalisch schlägt "Hurry up tomorrow" zudem in die gleiche Kerbe wie "Dawn FM", Giorgio Moroder dient diesmal nicht nur als stilistischer Fixstern, sondern vocodert sogar im dramatischen Ruhepol "Big sleep" eine Strophe höchstpersönlich durch den Äther.

Die beiden tatsächlich auf dem Album gelandeten Singles sind daher eher falsche Fährten. "Timeless" schickt seine Beat-Blips hübsch verhallt durch den Raum, klingt aber mehr nach Playboi Carti featuring The Weeknd als andersrum. "São Paulo" feuert deutlich erfolgreicher Anittas gelooptes Gebrabbel durch den unbarmherzig fetzenden Banger von Song. "O novinho me olhou e quis comer minha pepequinha / Hoje eu vou dar pro novinho, fode, fode a larissinha" haut Ihr allerdings bitte selbst in den Portugiesisch-Übersetzer, bevor diese Rezension noch eine FSK-Freigabe benötigt. Doch auch als relativer Fremdkörper ist der Song grandios zwischen zwei Mini-Interludes eingebettet – insbesondere "Until we're skin & bones" schlägt das Stück brutal erfolgreich nach der finalen Überhitzung in seine Einzelteile. (Warum andere Interludes nicht auch eigene Tracknummern und -namen bekommen haben, bleibt ein Rätsel.)

Rückblicke auf den alten, minimalistischeren Stil zu Zeiten von "Trilogy" gibt es in Form des leider etwas zähen "Enjoy the show" oder auch "Baptized in fear", in welchem Tesfaye sich seinen eigenen Tod sehr bildlich ausmalt: "I fell asleep in the tub, I was met with paralysis / My foot hit the faucet, water started flowing in / Couldn't scream for help, I just slowly felt the pressure hit / Moving one toe was the only form of motion left." Dabei entpuppt sich das Stück am Ende nur als Startrampe für den Synthpop von "Open hearts". Überhaupt ist so viel kunstvoll verzahnt, in der zweiten Albumhälfte vor allem das Doppel aus "Niagara Falls" und "Take me back to LA" – ersteres auf einem warmherzigen gepitchten Sample basierend und klanglich noch mal schöner als alles andere, zweiteres ein weiterer Heavy-Rotation-Kandidat mit hellen, offenen Synths, der das Mainstream-Radio ein ganzes Stück besser machen würde.

Für Sampleforscher und Detailfetischisten ist "Hurry up tomorrow" ohnehin ein Fest, die Einbindung des "Midnight express"-Themes in "Big sleep" oder Nina Simones "Wild is the wind" im Zerrspiegel von "Given up on me" sind da nur die offensichtlicheren Beispiele. Dass der abschließende Titeltrack immer wieder im Kopf die Melodie von Atomic Kittens "Whole again" fortsetzen lässt, mag dagegen eher ein ungewollter Nebeneffekt sein, auch wenn das Stück den Marathon passend theatralisch beschließt. Das Album kommt nicht ganz ohne Längen aus, bei zwei bis drei Songs hätte Tesfaye durchaus die Schere ansetzen können, zumal die Uptempo-Banger etwas ungleich über die Tracklist verteilt sind. Andererseits wird "Hurry up tomorrow" besser, je mehr man sich damit befasst, lässt unterschiedliche Stücke zu unterschiedlichen Zeitpunkten strahlen und wird weniger Mammutaufgabe. Keine Sorge: Hier seid Ihr im richtigen Film.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wake me up (feat. Justice)
  • São Paulo (feat. Anitta)
  • Open hearts
  • Niagara Falls
  • Take me back to LA

Tracklist

  1. Wake me up (feat. Justice)
  2. Cry for me
  3. I can't fucking sing
  4. São Paulo (feat. Anitta)
  5. Until we're skin & bones
  6. Baptized in fear
  7. Open hearts
  8. Opening night
  9. Reflections laughing (feat. Travis Scott & Florence & The Machine)
  10. Enjoy the show (feat. Future)
  11. Given up on me
  12. I can't wait to get there
  13. Timeless (feat. Playboi Carti)
  14. Niagara Falls
  15. Take me back to LA
  16. Big sleep (feat. Giorgio Moroder)
  17. Give me mercy
  18. Drive
  19. The abyss (feat. Lana Del Rey)
  20. Red terror
  21. Without a warning
  22. Hurry up tomorrow
Gesamtspielzeit: 84:49 min

Im Forum kommentieren

Lateralis84skleinerBruder

2025-02-10 18:00:30

Album noch nicht gehört, aber Cover sieht schonmal geil aus

Armin

2025-02-10 17:57:48

Wenn dem so wäre, würden wir natürlich zuallererst einen Sonntagsdienst für falsch hochgeladene Albumcover einführen.

Rhyton

2025-02-09 20:07:25

Kann ich doch nix für, dass PT trotz seines Alleinstellungsmerkmals in Deutschland und seinem kommerziellen Potenzial nach über 25 Jahren noch keinen Profit abwirft. :

Armin

2025-02-09 20:00:47

Danke für die Hinweise, ist getauscht.

Und damit vielleicht Rhyton mal sein Maß an Verständnis hinterfragen kann: Ich habe den Samstagabend mit dem Update vorm Rechner verbracht, um heute etwas an die frische Luft gehen zu können. Dass ich vielleicht aus mangelndem künstlerischem Respekt ein falsches Cover hochgeladen haben könnte, habe ich da nicht erwartet.

Felix H

2025-02-09 18:15:47

Ist an Armin gemeldet, aber Leude, es ist nur ein Albumcover, kommt bitte klar.

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