
Shirley Holmes - Mein bestes Selbst
Rookie / IndigoVÖ: 14.02.2025
Angriff auf die Listenplätze
Ein Jahr lang wertete die Musikjournalistin Melanie Gollin die Spotify-Playlist "Indie Brandneu" nach Genderverteilung, Bandmodellen und Herkunft aus. Im Oktober 2024 veröffentlichte sie die Ergebnisse ihrer Strichliste dann im sehr empfehlenswerten Musik-Newsletter "Zwischen Zwei und Vier". Verkürzt wiedergegeben: Männer und internationale Artists sind in der genannten Playlist im Vergleich zu andersgeschlechtlichen und nationalen Acts deutlich überrepräsentiert. Shirley Holmes könnten hier Abhilfe schaffen. Das Trio stammt aus Berlin, besteht immerhin zu zwei Dritteln aus Frauen und hat sich mit seinem melodischen Garage-Punkrock einen Listenplatz redlich verdient.
Schon das letzte Studioalbum von Shirley Holmes "Die Krone der Erschöpfung" machte Spaß, irritierte aber streckenweise mit seiner eigenwilligen Genre-Mixtur. Für "Mein bestes Selbst" besinnen sich die drei Musiker*innen auf die Basics und verzichten auf elektronische Spielereien und Sprechgesang. Das Album wirkt dadurch deutlich straighter als sein bereits fünf Jahre alter Vorgänger. Die Band veröffentlicht weiterhin beim schicken Punk-Label Rookie Records und hat den Sound von Labelnachbarn wie Pascow und Love A bestens verinnerlicht, ohne ihn billig zu kopieren. "Verstört" erinnert mit seinen halligen Gitarren und dem brodelnden Spannungsbogen an die Lieblingspunks aus Gimbweiler. "Frage für einen Freund" könnte auch aus der Feder von Jörkk Mechenbier und Kollegen stammen. In beiden Songs thematisieren die Berliner*innen Überforderung, Ohnmacht und schlechte Gefühle.
Nicht alles ist so nachdenklich und bedeutungsschwer bei der Band, die sich nach der zwölfjährigen Urgroßnichte des britischen Meisterdetektivs Sherlock Holmes benannt hat. Davon zeugt nicht nur das quietschbunte und wirklich grausige Plattencover. Bei "Koks oder Käse" arbeiten sich die Hauptstädter*innen an der fortschreitenden Gentrifizierung in ihrem Kiez ab, "Übermorgen" ist ein Loblied aufs Prokrastinieren. Beide Themen sind ein bisschen auserzählt, werden aber von Shirley Holmes mit viel Dampf und Spielfreude vorgetragen. Gitarristin Mel und Bassistin Miss Ziggy wechseln sich mit dem Gesang ab. "Aggressive Musik" rotzen sie dem Thema angemessen schrill und kurzatmig runter. Das schillernde "Sommerstadt (Recharge me)" gerät dagegen harmonisch und sauber. Im Song "Das Glas zerbricht und ich gleich mit" haben Die Nerven zuletzt die anscheinende Unbekümmertheit ihrer Mitmenschen beschrieben. Shirley Holmes' Beitrag zum Thema lautet "Angst & Hobbys": "Andre haben Hobbys, ich habe Angst / Andre sehn die Sonne, ich den Untergang." Kollege Chris an den Drums peitscht den Song druckvoll nach vorne und hoffentlich direkt bei Erscheinen in die "Indie Brandneu"-Playlist. Nicht nur Melanie Gollin würde sich darüber freuen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Angst & Hobbys
- Übermorgen
- Frage für einen Freund
Tracklist
- Verstört
- Angst & Hobbys
- Niemand drin
- Koks oder Käse
- Übermorgen
- Aggressive Musik
- Less scheiße heavy
- Wanna fck your reflection
- Frage für einen Freund
- Sommerstadt (Recharge me)
- Verstärkung
Im Forum kommentieren
Armin
2025-02-08 20:17:54- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Spotify
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Forum
- Shirley Holmes - Mein bestes Selbst (1 Beiträge / Letzter am 08.02.2025 - 20:17 Uhr)
- Shirley Holmes - Die Krone der Erschöpfung (1 Beiträge / Letzter am 20.05.2020 - 22:31 Uhr)