Manic Street Preachers - Critical thinking

Columbia / Sony
VÖ: 14.02.2025
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Rock the vote

17. August 2024: Nach einer langen, langen Vorlaufzeit von rund zwölf Jahren hat es das Forum von Plattentests.de endlich geschafft, ein Voting aller Manic-Street-Preachers-Songs durchzuführen und die Ergebnisse zu verkünden. Von den 206 gelisteten Songs wird das wirklich für die Ewigkeit gemachte "If you tolerate this your children will be next" als Spitzenreiter gewählt.

29. August 2024: Nach einer sehr kurzen Zeitspanne von nur zwölf Tagen im Anschluss daran veröffentlicht die Waliser Band eine neue Single namens "Decline & fall". Die Reaktionen darauf fallen amüsiert bis entsetzt aus, Vergleiche zu Schlager und Fernsehgarten sind schnell zur Hand. Ob es Gedankenübertragung war, dass die Abstimmung rechtzeitig vor diesem Graupensong finalisiert wurde?

"Decline & fall" führt die Seifigkeit, die sich auf dem enttäuschenden "The ultra vivid lament" schon Bahn brach, ins Absurde, copy-pastet Sean Moores Drumfills so oft, dass es lächerlich ist, und sucht nur die alleroffensichtlichste Melodieführung. Es klatscht auf Eins und Drei. Es ist ein, wenn nicht sogar der Tiefpunkt des Gesamtwerks der Manic Street Preachers. Und da es seit "Futurology" sowieso eher bergab geht, hat dieses Trio wohl fertig, oder? Da macht – zum Glück – das 15. Album "Critical thinking" einen Strich durch die Rechnung. Klar, an "Decline & fall" muss man hier trotzdem vorbei. Und an alte Meisterwerke knüpft es auch nicht an. Dennoch sind diese zwölf Songs viel besser als das, was man hätte erwarten oder gar befürchten müssen.

Ganz überraschend: Nicky Wire darf nicht nur in ganzen drei Tracks ans Mikro, sondern diese stellen auch noch prominenterweise den Opener, den Closer und eine Vorabsingle. Noch überraschender: Sie gehören alle zu den besseren Songs, teils zu den Highlights. "Hiding in plain sight" gerät zwar sehr sentimental, es überwiegt aber die Freude an der Harmonie, wenn Wire die Selbstliebe sucht: "And I wanna be in love / With the man I used to be / In a decade I felt free." Das zackige "One man militia" passt sich seiner Gesangs-Range an und setzt als Rausschmeißer vor allem auf Energie. Doch der Titeltrack erwischt einen zunächst gleich am Anfang auf dem kalten Fuß. Wire sprechsingt sich vor rhythmusgetriebenem, leicht funkigem Rock ironiebeladen durch Selbstmotivations-Sermon – "Believe in yourself! / Imposter syndrome / Fuck thaaaat!" – und macht damit gar dem Bandnamen alle Ehre, bevor er fragt: "What happened to your critical thinking?" Die Manics können also noch zubeißen.

Doch auch James Dean Bradfield bekommt seine Momente, vor allem da einige Songs wieder stärkere Melodien besitzen. Und nirgendwo ist eine schönere als im Albumhighlight "Brushstrokes of reunion" zu finden – einfach eine ganz klassische Manics-Hymne, wie sie auch in der Hochphase der Band hätte stattfinden können. Daneben fahren auch "People ruin paintings" oder "Deleted scenes" in hübschen melodischen Fahrwassern, auch wenn letzterer die Gesangsmelodie etwas penetrant mit seinem Keyboard nachzeichnet. "Being baptised" baut dagegen eher eine unruhige Atmosphäre auf und fragt: "I walk out soaked to the bone / Was I being drowned or baptised?" So ungewöhnlich wie der Titeltrack ist das zwar alles nicht, aber es beruhigt, dass die Band sich auch noch erfolgreich auf ihre Stärken im Kern konzentrieren kann.

Die Pferde gehen nur da durch, wo sich das Trio wie in "My brave friend" zu sehr dem Pathos hingibt oder das Tralala der letzten Platte als Überbleibsel durchscheint. Das passiert vor allem in "Dear Stephen" – Adressat ist hier tatsächlich Morrissey, dem die Manic Street Preachers mit diesem etwas zu schunkeligen Stück die Hand reichen. "Dear Stephen, please come back to us / I believe in repentance and forgiveness / It's so easy to hate, it takes guts to be kind / To paraphrase one of your heartbreak lines." Ob der in den letzten Jahren mit eher hirnverbrannten und rechtslastigen Äußerungen aufgefallene Ex-The-Smiths-Frontmann sich als Reaktion im Xavier-Naidoo-Stil von seinen Irrwegen entfernt, bleibt abzuwarten. Falls das tatsächlich hilft: Please do Kanye next. Falls nicht, bleibt immer noch die Erkenntnis, dass man verloren geglaubte Bands nicht abschreiben sollte. Es ist nie zu spät für hohe Neueinsteiger im Voting.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Critical thinking
  • Brushstrokes of reunion
  • One man militia

Tracklist

  1. Critical thinking
  2. Decline & fall
  3. Brushstrokes of reunion
  4. Hiding in plain sight
  5. People ruin paintings
  6. Dear Stephen
  7. Being baptised
  8. My brave friend
  9. Out of time revival
  10. Deleted scenes
  11. Late day peaks
  12. One man militia
Gesamtspielzeit: 41:44 min

Im Forum kommentieren

Lichtgestalt

2025-02-04 22:25:38

Boah ey, ich finde den Sound und die Produktion wieder nicht so toll.
Warum können die Manics nicht mal einen Eno oder so engagieren?

Felix H

2025-01-31 12:29:35- Newsbeitrag



Jetzt kennen aus meiner Sicht alle den besten und den schlechtesten Song der Platte.

MickHead

2025-01-31 11:54:45

Neuer Song "Brushstrokes Of Reunion"

https://youtu.be/kHZz14abQmU?si=m0CZNXy3_vnZUYWj

MickHead

2025-01-29 17:38:36

Visions: 9/12
Under The Radar Magazine: 8/10

Filip

2025-01-29 11:09:30

War ja davor schonmal verschoben worden, auf den 07.02. Ärgerlich...

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